Das auf Netflix erschienene Drama «The Starling» zeigt, wie ein Ehepaar mit dem plötzlichen Tod ihrer neugeborenen Tochter umgeht. Der Film glänzt mit einem tollen Cast, die vielversprechende Prämisse wird hingegen viel zu wenig ausgeschöpft.
Lilly (Melissa McCarthy) und ihr Ehemann Jack (Chris O’Dowd) sind schwanger. Gemeinsam streichen sie das Kinderzimmer und stellen sich dabei humor- und liebevoll die Zukunft ihrer Tochter vor. Als sie ihr Kind mit nur einem Jahr an den plötzlichen Kindstod verlieren, droht auch ihre einst so starke Liebesbeziehung zu zerbrechen.
Beide trauern so unterschiedlich, dass sie den Blick füreinander verloren haben. Sie leben inzwischen getrennt, da sich Jack nach einem Suizidersuch in eine psychiatrische Klinik hat einweisen lassen, und Lilly sich indessen mehr schlafwandelnd als aktiv durch den Alltag bewegt. Die lange Fahrt zu den regelmässigen Terminen in Jacks Klinik nimmt sie pflichtbewusst und hoffnungsvoll auf sich, doch als Jack ihr ein Besuchsverbot auferlegt, wird ihr klar, dass auch ihr ein langer Weg der Trauer bevorsteht, und dass sie diesen nicht allein gehen kann. Und gerade als Lilly die Ärmel hochkrempelt, um den Garten auf Vordermann zu bringen, macht ihr ein besonders aggressiver Star das Unterfangen zunichte. Der gefiederte Störenfried erweist sich als ungewöhnliches Ventil für Lillys Trauer und führt sie später auch zum Tierarzt Larry Fine (Kevin Kline), der ihr den einen oder anderen Ratschlag mit auf den Weg gibt, um ihre Beziehung zu Jack zu kitten und die Liebe füreinander wiederzuentdecken.
«Die Prämisse von ‹The Starling› hätte das Zeug zu einem Oscar-Kandidaten: Mit dem plötzlichen Kindstod steht eine grosse Tragödie im Zentrum, und die Trauerverarbeitung der Eltern böte mehr als genug Stoff, um grosses Drama aufleben und talentierte Schauspieler*innen glänzen zu lassen.»
Die Prämisse von «The Starling» hätte das Zeug zu einem Oscar-Kandidaten: Mit dem plötzlichen Kindstod steht eine grosse Tragödie im Zentrum, und die Trauerverarbeitung der Eltern böte mehr als genug Stoff, um grosses Drama aufleben und talentierte Schauspieler*innen glänzen zu lassen. Ansatzweise gelingt dies auch: Melissa McCarthy hat schon in «Can You Ever Forgive Me?» (2018) gezeigt, dass sie zu mehr fähig ist, als quatschige Brachialkomödien wie zuletzt «Thunder Force» abzufeuern. Und auch in «The Starling» überzeugt sie als trauernde und verlorene Ehefrau, die sich Stück für Stück durch die Stufen der Trauer arbeitet. Auch der auf wenige Szenen beschränkte Part von Kevin Klines Dr. Fine ist in allen Belangen ein Genuss, da Kline seine Figur mit genau dem richtigen Mass an Wärme und Humor ausstattet, um nicht in allzu platt-kitschige Gefilde abzudriften. Chris O’Dowd («The IT Crowd», «Molly’s Game») wiederum hat als in der depressiven Spirale gefangener Ehemann die undankbarste Rolle zu spielen, macht daraus aber das Beste.
«Auch die Möglichkeiten der talentiertesten Darsteller*innen sind begrenzt, wenn das Drehbuch ihnen kein Futter gibt. Drehbuchautor Matt Harris verpasst es, der Geschichte mehr als ein paar nett gemeinte Metaphern und dröge Allgemeinplätze abzuringen.»
Und genau hier liegt das Problem des Films: Auch die Möglichkeiten der talentiertesten Darsteller*innen sind begrenzt, wenn das Drehbuch ihnen kein Futter gibt. Drehbuchautor Matt Harris verpasst es, der Geschichte mehr als ein paar nett gemeinte Metaphern und dröge Allgemeinplätze abzuringen. Dazu kommt, dass Theodore Melfi («Hidden Figures») für seinen Film nie die «eigene Stimmung» findet und stattdessen zwischen tieftrauriger Depression und teils unpassendem Klamauk hin und her schwankt. Das ist ihm in seinem Indie-Hit «St. Vincent» (2014), ebenfalls mit Melissa McCarthy, schon deutlich besser gelungen.
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Jetzt auf Netflix Schweiz
Filmfakten: «The Starling» / Regie: Theodore Melfi / Mit: Melissa McCarthy, Chris O’Dowd, Kevin Kline, Timothy Olyphant, Daveed Diggs / USA / 103 Minuten
Bild- und Trailerquelle: HOPPER STONE/NETFLIX.
Theodore Melfis Tragikomödie «The Starling» ist unausgegoren erzählt und lässt leider zu viel Potenzial liegen – ein Defizit, das von einem starkem Cast teilweise wieder aufgefangen wird.
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