Anna, eine alleinstehende Kinderpsychologin, lebt zurückgezogen in einem alten New Yorker Sandsteinhaus, das sie seit fast einem Jahr nicht mehr verlassen hat. Ihre Kontakte zur Aussenwelt beschränken sich auf den Lieferservice, ihren Untermieter und ihren Therapeuten, der sie regelmässig aufsucht. Ansonsten beobachtet sie die Nachbarschaft vom Fenster aus. «The Woman in the Window» porträtiert eine Frau, welche die Aussenwelt nur noch durch ihr Fenster und jede Menge Alkohol ertragen kann.
Anna (Amy Adams) bekommt Panikattaken, sobald sie das Haus verlässt, trinkt zu viel und hat ihre Antidepressiva nicht im Griff. Als gegenüber die Familie Russell einzieht, freundet sie sich mit Ethan (Fred Hechinger), dem Sohn von Alistair (Gary Oldmann) und Jane (Julianne Moore), an. Doch dann wird sie Zeugin eines Verbrechens: Als sie wieder einmal mit dem Zoom ihrer Kamera in die gegenüberliegendenen Fenster schaut, wird Jane von Alistair erstochen. Anna ruft die Polizei, doch die will ihr nicht glauben. Fortan ist die Frau an Alistairs Seite plötzlich eine andere, und auch Ethan schweigt. Anna ist überzeugt von dem, was sie gesehen hat und möchte beweisen, dass sie zurechnungsfähig ist. Oder hat sie das Ganze doch nur halluziniert?
«The Woman in the Window» beschreibt das Trauma einer Frau, die sich selbst abhanden gekommen ist, und deren Zuhause zunehmend zum Gefängnis wird. Inspiriert von Alfred Hitchcocks «Rear Window» (1954), wo ein Mann aufgrund eines Unfalls das Haus nicht verlassen kann und zum leidenschaftlichen Beobachter wird, konzentriert sich der neue Film von Joe Wright («Atonement», «Darkest Hour») auf Annas verzerrte Wahrnehmung durch ihre psychische Erkrankung und ihren Kampf um Glaubwürdigkeit.
«Leider ist bei der Verfilmung von A. J. Finns gleichnamigem Debütroman einiges schiefgegangen. Die zentralen Elemente rund um Annas Psyche, die vielen Wendungen in der Geschichte, die spannungsgeladenen Bilder, die ihre klaustrophobische Welt transportieren sollen, sind einer plumpen Aneinanderreihung langweiliger Szenen zum Opfer gefallen.»
Leider ist bei der Verfilmung von A. J. Finns gleichnamigem Debütroman einiges schiefgegangen. Die zentralen Elemente rund um Annas Psyche, die vielen Wendungen in der Geschichte, die spannungsgeladenen Bilder, die ihre klaustrophobische Welt transportieren sollen, sind einer plumpen Aneinanderreihung langweiliger Szenen zum Opfer gefallen. Das grosse, düstere Haus würde sich anbieten, um mehr aus der Buchvorlage und Hitchcocks Pate stehendem Klassiker zu machen und Annas Geschichte aufzulösen. Wright lässt das hochkarätig besetzte Ensemble mit hölzernen Dialogen vor sich hindümpeln – da hilft auch die dramatische Musik von Danny Elfman nicht, um Spannung zu erzeugen. Wo auch immer die düstereren Töne in einer dunklen Ecke des Hauses eingesetzt werden, da verstummen sie auch wieder und nichts passiert. Es fehlt durch und durch an Inspiration und Charisma.
«Das grosse, düstere Haus würde sich anbieten, um mehr aus der Buchvorlage und Hitchcocks Pate stehendem Klassiker zu machen und Annas Geschichte aufzulösen. Wright lässt das hochkarätig besetzte Ensemble mit hölzernen Dialogen vor sich hindümpeln – da hilft auch die dramatische Musik von Danny Elfman nicht, um Spannung zu erzeugen.»
Vergleicht man den Plot mit Tate Taylors «The Girl on the Train» von 2016, wo die alkoholkranke Rachel (Emily Blunt) ein Gewaltverbrechen vom Zug aus beobachtet haben will und ihr niemand glaubt, dann wirkt «The Woman in the Window» wie ein schlecht wirksames Generikum im Genre der Mysterythriller. Selbst das Ende, wo plötzlich der Mörder auftaucht und doch noch viel Blut vergossen wird, überzeugt nicht, weil der Film an sich nichts zu erzählen hat und Mörder und Motiv am Ende so hastig eingefügt wurden, als hätte man sie in den ersten 80 Minuten völlig vergessen.
Über «The Woman in the Window» wird auch in Folge 27 des Maximum Cinema Filmpodcasts diskutiert.
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Jetzt auf Netflix
Filmfakten: «The Woman in the Window»/ Regie: Joe Wright / Mit: Amy Adams, Gary Oldman, Anthony Mackie, Julianne Moore, Jennifer Jason Leigh, Fred Hechinger, Wyatt Russell, Tracy Letts / USA / 100 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix
«The Woman in the Window» ist ein «Rear Window»-Revival, das dem Overacting seiner Starbesetzung zum Opfer gefallen ist.
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