Broadway-Referenzen, Main-Character-Syndrom und gefundene Familien: «Theater Camp» ist eine Liebeserklärung an alle Theater-Kids dieser Welt. Die herzerwärmende Komödie von Molly Gordon und Nick Lieberman blickt mit viel Humor auf sich selbst sowie auf die Camp-Kultur der USA, auch wenn der Film seiner Form nicht immer ganz treu bleibt.
Egal, ob Pfadilager oder Klassenfahrt: Wer das schon einmal erlebt hat, weiss, wie man sich den Ort des Geschehens dieser Geschichte vorstellen muss. Kinder wuseln in alle Richtungen, es läuft nicht immer alles rund, aber wenn man Glück hat, entstehen Freundschaften und Erinnerungen fürs Leben. So geht es auch den Lehrer*innen Rebecca-Diane (Molly Gordon) und Amos (Ben Platt), die selbst schon als Kind regelmässige Teilnehmer*innen im Theaterlager «AdirondACTS» waren und bis heute beste Freund*innen sind. Molly Gordon übernimmt in «Theater Camp» sogar gleich eine Doppelrolle: Sie ist nicht nur eine der Hauptdarstellerinnen; zusammen mit Nick Lieberman gibt sie gleichzeitig ihr Regiedebüt.
Kurz bevor das Camp am Fusse der Adirondack Mountains in Upstate New York erneut grosse und kleine Schauspieltalente bei sich willkommen heisst, erleidet die allseits beliebte Gründerin Joan (Amy Sedaris) einen Krampfanfall und fällt ins Koma, ausgelöst – wie könnte es anders sein? – durch das Strobolicht einer Theateraufführung.
Für Rebecca-Diane, Amos und die anderen langjährigen Leiter*innen ist klar: The show must go on, Joan zuliebe. Wie jedes Jahr schreiben sie eigens für das Camp ein Musical; und in diesem Jahr wird es mit dem Titel «Joan Still» der Person gewidmet, die ihnen diesen Ort vor vielen Jahren geschenkt hatte. Mit Joans Ausfall fällt die Verantwortung der Camp-Leitung jedoch in die Hände von Joans Sohn Troy (Jimmy Tatro), einem selbsternannten Tech-Bro, der mehr auf seine «En-Troy-preneurship» als auf die Welt der Schauspielkunst gibt. Bald schon sieht er sich aber mit der grossen Aufgabe betraut, das Camp vor dem finanziellen Ruin zu retten.

Ben Platt und Molly Gordon in «Theater Camp» / © Searchlight Pictures. All Rights Reserved.
Eingeführt wird «Theater Camp» als Mockumentary. Zittrige Kameraeinstellungen, kombiniert mit scheinbar zufällig mitgeschnittenen Begegnungen und erklärenden Einblendern, geben dem Film eine Form, die er jedoch nicht bis zum Schluss zu halten vermag. Recht bald wird klar, dass gewisse Szenen nicht zum dokumentarischen Stil passen, den er zu Beginn an den Tag legt.
«Zittrige Kameraeinstellungen, kombiniert mit scheinbar zufällig mitgeschnittenen Begegnungen und erklärenden Einblendern, geben dem Film eine Form, die er jedoch nicht bis zum Schluss zu halten vermag.»
Diese Unbeständigkeit der Form verzeiht man Gordon und Lieberman aber schnell, denn inhaltlich hält ihr Film einen mit seinen kurzen Sequenzen und schnellen Schnitten auf Trab – langweilig wird es also nie. Ausserdem meistert «Theater Camp» etwas, was nicht jeder Komödie gelingt: Vorurteile und Stereotypen werden aufgenommen und es wird darüber gelacht, doch der Film tastet sich mit viel Liebe an all seine Figuren heran und lässt am Ende niemanden schlecht dastehen – weder den dem Influencertum verfallenen Troy, noch die übermotivierte Kinderschauspielerin Darla (Kyndra Sanchez), noch den Bühnentechniker Glenn (Noah Galvin), noch Amos mit seinem Main-Character-Syndrom.

© Searchlight Pictures. All Rights Reserved.
«Während sich die Figuren des Films alle sehr ernst nehmen, tut der Film genau dies nicht – und das ist es, was ihn zu einem so herzerwärmend unterhaltsamen Regiedebüt macht.»
Der Film mag seiner Form nicht immer treu bleiben, sein Kern hält aber so gut zusammen, dass er dennoch überzeugt. Die schauspielerischen und gesanglichen Leistungen von Gross und Klein unterstreichen dies und machen so aus «Theater Camp» ein freudiges Kino-Erlebnis, das auch diejenige zu berühren vermag, die mit Theater und Musicals sonst nicht ganz so viel anfangen können. Und während sich die Figuren des Films alle sehr ernst nehmen, tut der Film genau dies nicht – und das ist es, was ihn zu einem so herzerwärmend unterhaltsamen Regiedebüt macht.
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Kinostart Deutschschweiz: 7.9.2023
Filmfakten: «Theater Camp» / Regie: Molly Gordon, Nick Lieberman / Mit: Ben Platt, Molly Gordon, Noah Galvin, Jimmy Tatro, Caroline Aaron, Ayo Edebiri, Amy Sedaris, Patti Harrison / USA / 93 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © Searchlight Pictures. All Rights Reserved.
«Theater Camp» mag formal nicht ganz so stringent sein, wie er vorgibt, doch der Film überzeugt mit seinem Sinn für Humor, viel Wärme und einigen Songs, die einen noch ein paar Tage verfolgen.
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