Der Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum bewies bereits mit seinem zweiten Langfilm, dem 2011 erschienenen «Hell», dass er gute Endzeitfilme drehen kann. Während «Hell» jedoch während einer apokalyptischen Dürre spielt, ist es in «Tides» Wasser, das für den Untergang gesorgt hat.
In nicht allzu ferner Zukunft macht eine globale Katastrophe die Erde unbewohnbar – aber einer Gruppe von besser gestellten Menschen gelingt es, ins All zu flüchten und auf dem Planeten Kepler-209 eine neue Zivilisation aufzubauen. Dort gibt es allerdings ein neues Problem: Die Atmosphäre des Planten macht die Menschen unfruchtbar. Deswegen soll zwei Generationen später ein Team zur Erde zurückkehren, um abzuklären, ob sie wieder bewohnbar ist.
Wie so oft geht bereits die Landung auf der Erde schief, und von drei Teammitgliedern überleben nur Blake (Nora Arnezeder) und Tucker (Sope Dirisu). Diese finden sich während einer Ebbe in einem riesigen Sandmeer wieder, das nicht grundlos ans Wattenmeer erinnert: Dort hat Regisseur Tim Fehlbaum einen Teil des Films nämlich tatsächlich gedreht, was nicht ganz einfach war, wie er unlängst am NIFFF erläuterte – Dreharbeiten im Wasser bringen ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich. Der Aufwand hat sich aber gelohnt: Die Bilder von «Tides» sind absolut fantastisch und können mit grösseren Produktionen mühelos mithalten.
«Dreharbeiten im Wasser bringen ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich. Der Aufwand hat sich aber gelohnt: Die Bilder von ‹Tides› sind absolut fantastisch und können mit grösseren Produktionen mühelos mithalten.»
Blake hat aber nicht viel Zeit, um die Landschaft zu bewundern, kommt doch bald die Flut, und Tucker wurde während der Landung auch noch verletzt. Doch bevor sie viel erkunden kann, zieht obendrein ein Sturm auf, und sie wird zusammen mit Tucker von einer unbekannten Gruppe von Menschen entführt. Es stellt sich heraus: Es haben damals durchaus Menschen die Katastrophe überlebt. Deren Nachfahrer*innen leben nun in zusammengezimmerten Unterkünften auf Flössen, ein Bild irgendwo zwischen den «Mad Max»-Filmen und «Waterworld» (1995).
Es folgt der beste Teil des Films: Auf sich allein gestellt, probiert Blake, mit den Überlebenden zu kommunizieren, Hilfe für den verletzten Tucker zu verhandeln und Information zur verschollenen ersten Erd-Mission von Kepler-209 zu bekommen. Letzteres hat für Blake auch emotionales Gewicht, war der Anführer der ersten Mission doch niemand anderes als ihr Vater.
Danach lässt der Film leider in seiner Erzählung nach. Je mehr komplizierte Erzählstränge Fehlbaum und Co-Autorin Mariko Minoguchi einbauen, desto vorhersehbarer wird die Geschichte – ironischerweise. Wer ähnliche Filme gesehen hat, kann bald schon jeden kommenden Schritt vorhersagen. Dabei verpasst «Tides» auch mehr als eine Chance, der Erzählung zusätzliche Tiefe zu verpassen. So werden moralische Konflikte zwischen Keplers streng hierarchischer, fast schon fanatischer Kultur und der Lebensweise der Überlebenden auf der Erde zwar angetönt, schliesslich aber für ein übliches Actionfinale hinweggeflutet.
Dazu verliert Blake zunehmend an selbstständiger Motivation: Statt selbst Entschlüsse zu fassen, folgt sie einer externen Anweisung nach der anderen. Da sie sonst schon eher blass wirkt, bleibt dadurch nur wenig übrig, um ihre Figur fassbar zu machen. Am Ende funktioniert das Ganze zwar gut genug, um nicht langweilig zu sein, aber wirklich bemerkenswert ist die Geschichte leider nicht.
«Was ‹Tides› bis am Schluss auf hohem Niveau hält, sind, neben der eindrücklichen Kameraarbeit von Markus Förderer, das herausragende Setdesign und die guten Schauspieler*innen, darunter auch ‹Game of Thrones›-Star Iain Glen.»
Was «Tides» bis am Schluss auf hohem Niveau hält, sind, neben der eindrücklichen Kameraarbeit von Markus Förderer, das herausragende Setdesign und die guten Schauspieler*innen, darunter auch «Game of Thrones»-Star Iain Glen. Dazu kommt der starke, atmosphärische Synth-Soundtrack von Lorenz Dangel, mit dem Fehlbaum bereits für «Hell» (2011) zusammenarbeitete.
Dank dieser Elemente gelingt Fehlbaum trotz der schwächelnden Story ein Werk, das in Erinnerung bleibt. Liebhaber*innen von Sci-Fi-Filmen können «Tides» also ruhig einen Blick gönnen, idealerweise mit einer möglichst guten Ton- und Bildanlage, damit die Stärken des Films wirklich zur Geltung kommen.
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Kinostart Deutschschweiz: 26.8.2021
Filmfakten: «Tides» / Regie: Tim Fehlbaum / Mit: Nora Arnezeder, Sope Dirisu, Iain Glen, Sarah-Sofie Boussnina, Joel Basman, Sebastian Roché / Deutschland, Schweiz / 104 Minuten
Bild- und Trailerquelle:
Die Geschichte plätschert so vor sich hin, aber «Tides» kommt mit einer fantastischen Bilderflut über die Runden, die zusammen mit der atmosphärischen Musik eine eindrückliche Stimmung kreiert.
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