Ein Rapper und ein patriotischer Kleinbürger gehen auf Roadtrip. Regisseur Rachid Djaïdani («Rengaine») beobachtet in «Tour de France» einmal mehr die gesellschaftlichen Herausforderungen seines Heimatlandes. Ein Dialog über die kulturelle Identität Frankreichs.
Der aufstrebende Rapper Far’Hook (Rapper Sadek) wird in Gang Angelegenheiten verwickelt und muss bis zu seinem nächsten grossen Auftritt untertauchen. Sein Produzent hat bereits den perfekten Plan. Far’hook soll dessen Vater Serge (Gérard Depardieu) auf seiner Reise begleiten. Serge ein älterer Herr, der davon überzeugt ist, dass Frankreich durch den grossen Ausländeranteil – vor allem von Arabern – dem Untergang geweiht ist, möchte wie anno dazumal Claude Joseph Vernet die Häfen Frankreichs porträtieren. Kurzerhand befinden sich die zwei unterschiedlichen Charaktere auf einem Roadtrip durch das malerische Frankreich.
„Pourquoi pas me convertir à l’Islam pendant qu’tu y est?! Pour être dans le coup…“
Schnell ist klar, dass Serge kein angenehmer Reisebegleiter ist. Alles was Far’Hook macht oder sagt wird schwer schnaubend kritisiert und mit rassistischen Kommentaren unterlegt. Der junge Rapper sieht dies als Herausforderung dem verbitterten Serge seine Musik näher zu bringen. Im Kontrast zu Serges aufbrausender Art, versucht Far’Hook entspannt ihm die Bedeutung seines Rap zu erklären; Strassenleben und Diskriminierung. Der kleinkarierte Nörgler will davon vorerst nichts wissen, denn er ist überzeugt „la minorité dans ce pays, c’est moi!“. So entwickelt sich „Tour de France“ zu einem Dialog über den allgemeinen aktuellen Kulturclash in Frankreich und den Umgang damit. Langsam aber sicher wird Far’Hook und Serge auch bewusst, dass sie gar nicht so unterschiedlich sind und es entwickelt sich eine Freundschaft à la „Les Intouchables“.
„Vous auriez aimé le rap“ – „Non, j’ai trop de vocabulaire pour ça“
Der Film hat eigentlich ebenfalls viel zu sagen, aber überbringt dem Zuschauer seine Botschaft fad in Dialoge verpackt anstatt sich der Filmkunst zu bedienen. Der ganze Inhalt wird von Serge und Far’Hook bis ins Detail ausdiskutiert, sodass dem Film kein Raum mehr bleibt, sich zu entfalten. Das lenkt letztendlich auch von der Wichtigkeit der Thematik ab, da schnell die Langeweile einsetzt. Trotz dieser Vorhersehbarkeit vermag Depardieu – dem die Rolle des Serges wie auf den Leib geschrieben ist – durch seine französisch-verbitterte Art den Unterhaltungswert zu heben. Im Gegenteil dazu geht der schauspielerisch unerfahrene Rapper Sadek fast unter, sodass nicht nur auf narrativer Ebene ein extremer Kontrast stattfindet. Abgesehen von diesen Holprigkeiten ziehen sich immer wieder künstlerische Handykamera-Einstellungen durch den Film sowie romantische Einstellungen der traditionellen französischen Häfen. Dies verleiht diesem dialoglastigen und narrativ schwachem Film etwas guttuende Leichtigkeit.
Fazit
Unser filmisch talentiertes Nachbarland hat sehr wohl schon gelungenere Meisterwerke als «Tour de France» erschaffen. Der Ansatz des Films ist zwar vielsprechend und von hoher Aktualität doch in der Umsetzung hätte Regisseur Rachid Djaïdani wohl eine dezentere Schiene fahren und dem Zuschauer mehr zutrauen können. Zum Glück hatte er die Altmeister Depardieu und den französischen Rap an Bord, die diesem Film doch noch einen gewissen Reiz verleihen.
Kinostart Deutschschweiz: 02.03.2017
„Tour de France“, Frankreich 2016, 95 min, Regie: Rachid Djaïdani, Besetzung: Gérard Depardieu, Sadek, Louise Grinberg, Produktion: Anne-Dominique Toussaint
Trailerquelle: Cineworx
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