Der prominent besetzte Animationsfilm «Transformers One» zelebriert die Achtzigerjahre-Wurzeln der titelgebenden Hasbro-Actionfiguren. Das ist durchaus unterhaltsam, aber halt auch nur bedingt interessant.
Die «Transformers»-Reihe über die gestaltwandlerischen Roboter vom Planeten Cybertron und den immer mal wieder auf die Erde verlagerten Krieg zwischen den guten Autobots und den bösen Decepticons hat eine kuriose Evolution hinter sich. Was 1984 als Hasbro-Actionfigurlinie seinen Anfang nahm, konnte vom Spielzeughersteller dank der Deregulierungspolitik von US-Präsident Ronald Reagan rasch in eine beliebte Samstagmorgen-Cartoonserie verwandelt werden, welche bewusst die Grenze zwischen Unterhaltung und Dauerwerbesendung verwischte und unzählige Kinder dazu brachte, sich Optimus-Prime-, Bumblebee- und Megatron-Figuren unter den Weihnachtsbaum zu wünschen.
Zwar existiert «Transformers» bis heute in diesem Format – wir befinden uns in der 28. Generation von animierten «Transformers»-Serien –, doch das breite Publikum dürfte vor allem mit jenen Werken vertraut sein, die aus dem ersten grossen Wendepunkt in der Seriengeschichte hervorgingen: dem Film «The Transformers: The Movie» (1986), der zwischen Staffeln zwei und drei von «The Transformers» (1984–1987) Premiere feierte. Konzipiert als eine Art Relaunch, der es Hasbro erlauben sollte, gewisse Figuren aus dem Sortiment zu nehmen und neue einzuführen, wurde der Film mit seinem im Vergleich zur Serie sehr hohen Robo-Blutzoll für viele Kinder zum traumatischen Schlüsselerlebnis.
Man könnte also verkürzt behaupten, dass die Reihe, und ihr junges Publikum mit ihr, mit «The Movie» ihre ersten Schritte in Richtung Adoleszenz tätigte – eine Entwicklung, die spätestens dann vollends eskalierte, als Actionexperte Michael Bay 2007 zu seiner umstrittenen (und insgesamt tatsächlich unterbewerteten) fünfteiligen Live-Action-Adaption anhob, die im kollektiven Bewusstsein primär für objektifizierte Frauenfiguren und pubertäre Witze steht.
Seit Bays letztem Beitrag jedoch, dem ziemlich hervorragenden «Transformers: The Last Knight» (2017), ist das Pendel aber wieder markant zurückgeschwungen. Sowohl «Bumblebee» (2018) als auch «Transformers: Rise of the Beasts» (2023) distanzierten sich vom Zynismus, mit dem ihre Realspielfilmvorgänger Autobots und Decepticons im Amerika der «War on Terror»-Ära verorteten, und waren sichtlich darum bemüht, sich wieder mehr an der kindlichen Spielfreude der Achtzigerjahre-Serie zu orientieren.
Diese Rückbesinnung erreicht im animierten «Transformers One», produziert von Paramount Animation («Anomalisa», «Wonder Park») und inszeniert von Pixar-Alumnus Josh Cooley («Toy Story 4»), einen Höhepunkt – denn der Film kehrt buchstäblich an den Anfang der jahrmillionenalten Fehde von Autobots und Decepticons zurück.
«Der Film kehrt buchstäblich an den Anfang der jahrmillionenalten Fehde von Autobots und Decepticons zurück.»
Wir befinden uns im Innern von Cybertron, wo die Transformers nach einem Krieg gegen die bösen Quintesson-Aliens in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft leben: Wer sich verwandeln kann, ist ein wahrer Transformer und gehört zur Elite; wem das dazu nötige Bauteil fehlt, schürft in den Energon-Minen nach dem Lebenselixier der Roboter. Angeführt wird das Volk vom charismatischen und allseits beliebten Sentinel Prime (Stimme: Jon Hamm), der immer wieder zu Expeditionen an die Planetenoberfläche aufbricht, um nach der «Matrix der Führerschaft» zu suchen, einem sagenumwobenen Artefakt, mit dem ein neues goldenes Transformers-Zeitalter eingeläutet werden könnte.
Eines Tages beschliessen die dick befreundeten Minenarbeiter Orion Pax (Chris Hemsworth) und D-16 (Brian Tyree Henry) – dem Publikum besser bekannt als die späteren Erzfeinde Optimus Prime und Megatron –, ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen und Sentinel Prime und Cybertron zu beweisen, dass auch Roboter, die sich nicht verwandeln können, zu Grossem fähig sind. Das eine führt zum andern und plötzlich finden sich Orion und D-16 zusammen mit ihrer Minenvorarbeiterin Elita-1 (Scarlett Johansson) und dem nicht ganz dichten Abfallsortierer B-127 (Keegan-Michael Key) auf einem wilden Abenteuer wieder, das ihren Heimatplaneten für immer verändern wird.
Wo «Bumblebee» und «Rise of the Beasts» trotz ihrer anders gelagerten Prioritäten noch den erzählerischen Schemata von Bays Filmen folgten – menschliche Aussenseiter*innen als Hauptfiguren, die irgendwie zwischen Zivilbevölkerung, Militär und ausserirdischen Robotern vermitteln müssen –, nimmt «Transformers One» einen grundlegenderen Bruch vor: keine Menschen, keine Erde, nur Transformers. Die Gründe dafür sind sicherlich nicht zuletzt logistischer und handlungstechnischer Natur: Metallene Roboter sind einfacher zu animieren als Menschen aus Fleisch und Blut, und als Optimus Prime und Megatron noch Freunde waren, hätte man auf der Erde bestenfalls einen Australopithecus angetroffen. Doch die Entscheidung darf wohl auch als cleveres Stück Zuschauer*innen-Management interpretiert werden: Gibt es eine bessere Methode, das primäre Zielpublikum für «Transformers»-Spielzeuge vom Spassfaktor der Hasbro-Produkte zu überzeugen, als ihm das filmische Äquivalent einer Actionfiguren-Spielstunde auf Grossleinwand zu präsentieren?
«Gibt es eine bessere Methode, das primäre Zielpublikum für ‹Transformers›-Spielzeuge vom Spassfaktor der Hasbro-Produkte zu überzeugen, als ihm das filmische Äquivalent einer Actionfiguren-Spielstunde auf Grossleinwand zu präsentieren?»
Als solches verfehlt «Transformers One» seinen Zweck auch nicht. Ausgestattet mit einem angemessen generischen Plot über die Macht des kleinen Roboters in einem ungerechten System, das Besiegen böser Mächte und die grosse Verantwortung, die grosse Macht mit sich bringt, geizen die Marvel-erprobten Drehbuchautoren Eric Pearson, Andrew Barrer und Gabriel Ferrari nicht mit Gelegenheiten, Cooley mit seinen computeranimierten Actionfiguren spielen zu lassen. Mit schöner Regelmässigkeit manövrieren sich Orion, D-16, Elita und die Quasselstrippe B-127 – der in späteren «Transformers»-Abenteuern stumm auftretende Bumblebee – in Situationen, die entweder nach einer spekatkulären Verfolgungsjagd oder nach einer fantasievoll choreografierten Klopperei verlangen.
Der Unterhaltungswert eines Films wie «Transformers One» steht und fällt mit diesen Momenten, und Cooley und sein Team meistern die Herausforderung problemlos: Mit fortschreitender Filmdauer werden die Situationen dramatischer, die Beteiligten zahlreicher und die Schlägereien technisch aufwendiger, sodass Fans von Achterbahn-Kino hier voll auf die Rechnung kommen.
«Mit fortschreitender Filmdauer werden die Situationen dramatischer, die Beteiligten zahlreicher und die Schlägereien technisch aufwendiger, sodass Fans von Achterbahn-Kino hier voll auf die Rechnung kommen.»
Dass dieses stete Eskalieren der Komplexität der Action sich nicht in der Figurenzeichnung widerspiegelt, ist typisch für das Genre und daher wenig überraschend, wirkt aber dennoch dem Anspruch des Films entgegen, Licht auf die einstige Freundschaft von Optimus Prime und Megatron zu werfen. Wie alle anderen Figuren dienen auch die beiden Protagonisten hauptsächlich als Witz- und Expositionslieferanten. Die wenigen Charakterzüge, die ihnen der Film aktiv zuschreibt, bleiben halbherzige Abstraktionen dessen, was man aus anderen «Transformers»-Serieneinträgen kennt: Optimus Prime ist aufopfernd und verantwortungsvoll, Megatron zynisch und autoritär – also ist Orion risikofreudig und aufrichtig, während D-16 nüchtern kalkuliert und tendenziell obrigkeitshörig handelt.
Immerhin ist der Humor, der über weite Strecken an die Stelle von starker Charakterisierung tritt, von überdurchschnittlicher Qualität – nicht zuletzt, weil Pearson, Barrer und Ferrari nicht in die Intellectual-Property-Falle tappen und sich in exorbitanter Referenzialität verlieren, sondern das Geschehen mit eigenständigen Pointen und altbewährtem Slapstick ausstatten.
«Gleichzeitig kann man sich aber auch fragen, ob das aufgewärmte Achtzigerjahre-Reagan-Pathos, das Cooleys Film nostalgisch heraufbeschwört, den haarsträubenden, aber anregend kritischen Visionen von Michael Bay wirklich vorzuziehen ist.»
«Transformers One» erfüllt also die grundlegenden Erwartungen, die ein «Transformers»-Film zu erfüllen hat: Roboter geben sich auf unterhaltsame Art und Weise auf den Dez. Dass diese Rückkehr zu den Samstagmorgen-Wurzeln der Reihe schliesslich gleichbedeutend ist mit einer Wiederherstellung der alten bipolaren Weltordnung, in der das Publikum den freiheitsliebenden Individuen unter dem Kommando des rot-weiss-blauen Optimus Prime zujubelt, wenn sie gegen Megatrons kollektivistische graue Horde zu Felde zieht, ist im Grunde nur logisch. Gleichzeitig kann man sich aber auch fragen, ob das aufgewärmte Achtzigerjahre-Reagan-Pathos, das Cooleys Film nostalgisch heraufbeschwört, den haarsträubenden, aber anregend kritischen Visionen von Michael Bay, in denen Autobots Kriegsgefangene exekutierten und Decepticons als Polizeiautos auftraten, wirklich vorzuziehen ist.
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Kinostart Deutschschweiz: 10.10.2024
Filmfakten: «Transformers One» / Regie: Josh Cooley / Mit: Chris Hemsworth, Brian Tyree Henry, Scarlett Johansson, Keegan-Michael Key, Jon Hamm, Laurence Fishburne, Steve Buscemi / USA / 104 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2024 Paramount Pictures. All Rights Reserved.
Josh Cooley und Paramount Animation liefern mit «Transformers One» solide Roboter-Action ab. Zu einer eigenständigen Vision hat es allerdings nicht gereicht.
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