Leichtfüssig, amüsant und mit einem Augenzwinkern inszeniert Manele Labidi die Geschichte einer jungen Frau, die in Tunis eine Praxis für Psychoanalyse eröffnen will. Das Spielfilmdebüt der französisch-tunesischen Regisseurin ist perfektes Sommerkino.
Ein Bild von Sigmund Freud blickt die Zuschauer*innen grimmig an. «Nein, das ist nicht mein Grossvater und auch nicht mein Vater, er ist mein Boss», rechtfertigt sich die junge Selma (Golshifteh Farahani). Sie ist aus Paris in ihre Heimatstadt Tunis zurückgekehrt, um eine Praxis für Psychoanalyse zu eröffnen. Das Bedürfnis zu reden, das haben nach Selmas Meinung die Araber*innen in den Genen. Doch schnell merkt sie, dass ihr Auftreten mehr aneckt als ankommt. Denn eine junge, rauchende, unabhängige Single-Frau mit Tattoos und dem sturen Willen, ihr eigenes Unternehmen zu eröffnen – das ist für die noch ziemlich konservative tunesische Gesellschaft dann doch etwas zu viel.
«Tous les arabes doivent parler»
Tatsächlich findet Selma nach den anfänglichen Hürden aber dennoch einige Patient*innen, und vielen helfen die Sprechstunden, mit ihren täglichen Problemen umzugehen. Das ist zu Anfang noch sehr amüsant, denn auf Selmas Couch offenbaren sich Missverständnisse und Probleme, die in der sonst verschlossenen und traditionellen Gesellschaft nicht zum Vorschein kommen. Oftmals wird diese Komik vor allem mithilfe von Stereotypisierung der Figuren erzeugt. Labidi gelingt es, dies auf eine liebevolle und unterhaltsame Weise zu inszenieren. Allerdings bleiben die Charaktere so auch oberflächlich und werden mit der Zeit etwas langweilig.
Auch sonst verfolgt der Film eher eine stereotype Linie und bleibt einer vorhersehbaren Dramaturgie einer Tragikomödie treu. Diese Linie wird durch einige wenige absurde Szenen gestört, was allerdings eher für Verwirrung sorgt, als einen Mehrwert für den Film darzustellen. «Un divan à Tunis» ist das Spielfilmdebüt der Regisseurin Manele Labidi, daher lassen sich diese einige Stolpersteine in einem sonst stimmigen Film auch gerne entschuldigen und machen neugierig auf das, was in ihrer Karriere noch kommt.
«‹Un divan à Tunis› überzeugt somit vor allem durch liebevollen Humor gegenüber stereotypischen Gesellschaftsbildern, einer starken Protagonistin und schwelgerischen Einstellungen des schönen Tunis.»
«Un divan à Tunis» überzeugt somit vor allem durch liebevollen Humor gegenüber stereotypischen Gesellschaftsbildern, einer starken Protagonistin und schwelgerischen Einstellungen des schönen Tunis. Und das ist für 90 Minuten Sprechstunde im Kinosessel deiner Wahl auch absolut zufriedenstellend.
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Kinostart Deutschschweiz: 30.7.2020
Filmfakten: «Un divan à Tunis» / Regie: Manele Labidi / Mit: Golshifteh Farahani, Majd Mastoura, Hichem Yacoubi, Ramla Ayari, Najoua Zouhair / Frankreich, Tunesien / 88 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Praesens-Film AG
«Un divan à Tunis» ist eine unterhaltsame Tragikomödie für Hobbypsycholog*innen – nicht mehr und nicht weniger.
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