In «Until Tomorrow» schickt der iranische Regisseur Ali Asgari seine zwei Protagonistinnen auf eine Odyssee durch Teheran. Ohne Effekthascherei zeichnet er das Bild einer Gesellschaft, in der Frauen dauernder Unterdrückung ausgesetzt sind.
Die spontane Ankündigung ihrer Eltern, sie in ihrer Wohnung in Teheran besuchen zu kommen, bringt die junge Fereshteh (Sadaf Asgari) ganz schön in Bedrängnis. Denn die Studentin ist inzwischen Mutter eines zwei Monate alten Mädchens, von dessen Existenz ihre Eltern nichts wissen sollen. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin, der schlagfertigen Atefeh (Ghazal Shojaei), macht sie sich nun auf die Suche nach jemandem, der bereit ist, ihre Tochter über Nacht zu sich zu nehmen. Doch das Unterfangen erweist sich als schwieriger als zuerst noch angenommen.
So irren die beiden Frauen unter zunehmendem Zeitdruck durch die iranische Hauptstadt. Auf ihrer Odyssee stellen sich ihnen und ihrem Vorhaben immer neue Hürden in den Weg. Eine befreundete Anwältin wurde festgenommen, Bekannte fürchten die Repression der Behörden, sollten sie erwischt werden. Andere wollen schlicht ihren Ruf nicht gefährden. Und Hotels vermieten keine Zimmer an alleinstehende Frauen mit Kindern. Weil ihr die Optionen ausgehen und keine Zeit mehr bleibt, begeht Fereshteh schliesslich aus Verzweiflung einen schwerwiegenden Fehler, der sie alles kosten könnte.
Seit September 2022 gehen im Iran die Menschen auf die Strasse und demonstrieren gegen das Mullah-Regime und die Unterdrückung der Frauen. Das Regime begegnet den Protesten seit Beginn mit brutaler Härte und hat bereits zahlreiche Todesurteile gegen Demonstrant*innen verhängt. «Until Tomorrow» startet zu einem Zeitpunkt in den Schweizer Kinos, als die hiesige Berichterstattung über die Situation im Iran bereits wieder am Abflauen ist. Nicht zuletzt dadurch erhält die Geschichte, die «Until Tomorrow» erzählt, eine besondere Dringlichkeit.
«Regisseur Ali Asgari verzichtet in seinem Film auf jedwede Effekthascherei. ‹Until Tomorrow› ist kein wütendes Empörungskino, sondern über weite Strecken ein ruhig erzähltes, präzises Porträt einer Gesellschaft, in der Frauen ständiger Unterdrückung in praktisch allen Lebenslagen ausgesetzt sind.»
Regisseur Ali Asgari verzichtet in seinem Film auf jedwede Effekthascherei. «Until Tomorrow» ist kein wütendes Empörungskino, sondern über weite Strecken ein ruhig erzähltes, präzises Porträt einer Gesellschaft, in der Frauen ständiger Unterdrückung in praktisch allen Lebenslagen ausgesetzt sind – mal offensichtlicher, mal unterschwelliger – und wo sie ständig auf der Hut vor dem Regime und seinen Sittenwächter*innen sein müssen. Nichtsdestotrotz treten die Frauen in «Until Tomorrow» zu keinem Zeitpunkt als hilflose Opfer auf.
Das gilt erst recht für Atefeh, Fereshtehs beste Freundin, die mit dem einen oder anderen trockenen Spruch immer wieder für Auflockerung in dem sonst eher nüchtern erzählten Film sorgt. Ghazal Shojaei spielt die junge Frau mit genau der richtigen Portion an trotziger Schlagfertigkeit, ohne dass es zu irgendeinem Zeitpunkt aufgesetzt wirkt. Im Gegensatz zu ihr tritt die alleinerziehende Fereshteh eher ruhig und verschlossen auf. Doch auch wenn sie gegen aussen weniger rebellisch wirken mag, verleiht ihr Sadaf Asgari mit ihrer Darstellung stets eine würdevolle Tapferkeit.
«Ghazal Shojaei spielt die junge Frau mit genau der richtigen Portion an trotziger Schlagfertigkeit, ohne dass es zu irgendeinem Zeitpunkt aufgesetzt wirkt.»
Wenn dann in der Schlussszene die Emotionen doch noch durchbrechen und die ganze angestaute Verzweiflung Fereshtehs sichtbar wird, ist das nicht nur schauspielerisch eindrucksvoll, sondern sorgt vor allem auch dafür, dass der Film nach dem Verlassen des Kinosaals noch lange nachhallt.
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Kinostart Deutschschweiz: 26.1.2023
Filmfakten: «Until Tomorrow» («تا فردا», «Ta farda») / Regie: Ali Asgari / mit: Sadaf Asgari, Ghazal Shojaei, Babak Karimi, Amirreza Ranjbaran / Iran, Frankreich, Katar / 86 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Xenix Filmdistribution GmbH
Ali Asgari gelingt mit «Until Tomorrow» ein hochaktueller Blick auf die Situation der Frauen im Iran. Ohne Effekthascherei, dafür authentisch und sensibel.
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