Mit seinem zweiten Kinofilm zementiert Jordan Peele seine Meisterschaft des Horrorgenres, seinen Ruf als Meister des modernen Horrorthrillers. «Us» ist eine fesselnde, verstörende Exploration des Bösen in uns.
Wie schon in seinem erfolgreichen Erstling «Get Out» spielt Regisseur Jordan Peele auch in «Us» gekonnt mit klassischen Tropen des Horrorgenres, nicht ohne ihnen zugleich einen zeitgenössischen Twist zu verleihen. So basiert die Prämisse von «Us» auf dem Tropus der heilen, vertrauten Welt, die plötzlich verändert scheint, unheimlich, ein kleines Stück von der gewohnten Realität verrückt , um sich dann langsam gegen uns selbst zu wenden. Die scheinbar perfekte Familie, Adelaide (Lupita Nyong’o), ihr Eheman Gabe (Winston Duke) und ihre zwei Kinder Zora (Shahadi Wright Joseph) und Jason (Evan Alex), fahren ins familieneigene Ferienhaus am See für eine Woche wohlverdienten Urlaubs. Doch schon in der Flashback-Präambel zur eigentlichen Geschichte wird verraten, dass Adelaide ein dunkles Geheimnis und ein tiefes Trauma in sich trägt. Wie uns der Vorspann zeigt, ist Adelaide als kleines Mädchen, mit ihren Eltern auf einem Ausflug im naheliegenden Vergnügungspark verloren gegangen und dabei – Achtung Spoiler – auf ihre böse Doppelgängerin getroffen. In der Gegenwart hat Adelaide das Trauma der Begegnung bis heute nicht überwunden. Und es wird schnell klar, dass der Schatten der Vergangenheit über dem fragilen Familienheil hängt.
Während in «Get Out» der Schrecken aus der amerikanischen Erbsünde, der rassistischen Fetischisierung des schwarzen Körpers entsprang, liegt der Schrecken in «Us» in uns, in den Protagonisten selbst. Auch dies ist natürlich ein beliebtes Motiv des Genres und zieht sich durch die Filmgeschichte. Peele ist sich dem bewusst und steuert gekonnt auf die filmhistorischen Klischees zu und verleiht ihnen einen neuen Dreh. Diese klare Vision des Filmemachers ist durchwegs spürbar und es ist schnell klar: hier wird nichts dem Zufall überlassen – zu dicht sind die Referenzen auf Filmgeschichte, Popkultur, gesellschaftspolitische Feinheiten, zu raffiniert das Storytelling. So wirken die klassischen Genrekniffe in «Us» alles andere als bekannt oder langweilig, sondern vielmehr erfrischend, spannend und vor allem unheimlich unterhaltsam.
Das Trauma der eigenen Identität
Denn Jordan Peele versetzt mit «Us» den Genretropus des Feindes in unserer Mitte, ja gar in uns selbst, in einen Kontext, der in der Filmgeschichte bisher vernachlässigt wurde. Denn schliesslich ist hier die heile Familie, die in Gefahr ist, nicht wie in Hollywood üblich die weisse Kernfamilie, sondern eine afroamerikanische Familie. In Peeles zweitem Film sind nicht mehr wie in «Get Out» die Hautfarben gegen einander gestellt. In «Us» steht die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, dem eigenen Trauma im Fokus. Doch auch hier ist diese persönliche Auseinandersetzung zugleich eine Auseinandersetzung mit der amerikanischen Psyche selbst. Auf die Frage was sie seien, antwortet Adelaides Doppelgängerin Red lediglich: «We’re Americans». Lupita Nyong’o verkörpert die Doppelrolle der Adelaide und deren vermeintlich bösen Doppelgängerin Red mit einer derart furchterregenden Intensität und zugleich einer meisterhaften Zurückhaltung – ein Grossteil des Schauspiels findet in den Augen statt – dass einem zuweilen der Atem wegbleibt. Und während Winston Duke alias Ehemann Gabe oft für den erfreulichen Comic Relief sorgt, verursachen auch die beiden Kinder – Shahadi Wright Joseph und Evan Alex – mit ihrer schauspielerischen Leistung für Gänsehaut.
«Us» ist defintiv nichts für schwache Nerven, aber wer sich dennoch traut, kann sich auf unglaublich gute Unterhaltung und filmische und schauspielerische Highlights freuen.
Kinostart Deutschschweiz: 21. März 2019.
Regie: Jordan Peele / DarstellerInnen: Lupita Nyong’o, Winston Duke, Shahadi Wright Joseph, Evan Alex, Elisabeth Moss, Tim Heidecker.
Eine fesselnde, verstörende Exploration des Bösen in uns.
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