Zum 17. Mal rollt die Stadt Baden den Teppich für den Animationsfilm aus — das Trickfilmfestival Fantoche präsentiert vom 3. bis 8. September einmal mehr ein kunterbuntes Best-of der animierten Kunst, das keinerlei Wünsche offen lässt. Im Fokus steht in diesem Jahr die italienischsprachige Schweiz. Aber auch die Langfilme versprechen beste Unterhaltung.
Wenn man vom Schweizer Animationsfilm spricht, dann denkt man schnell einmal an das vielseitige Filmschaffen aus der Deutschschweiz oder die erfolgreichen Studios der Romandie. Dass auch das Tessin talentierte Trickfilmschaffende hervorbringt, geht dabei noch viel zu oft vergessen. Höchste Zeit also, dass das Fantoche die italienische Schweiz und ihr beeindruckendes Animationsschaffen stärker ins Rampenlicht rückt. Unter dem Titel «La Svizzera Italiana Animata» präsentiert das Fantoche drei Kurzfilmblöcke mit Beiträgen von Filmschaffenden aus der Südschweiz – unter ihnen Marcel Barelli (der auch den diesjährigen Festivaltrailer gestaltet hat) und der international renommierte Animator Simone Giampaolo.

«Les Hirondelles de Kaboul» von Zabou Breitman und Eléa Gobbé-Mévellec
Unterschätzte Langfilme
Die Langfilmauswahl in diesem Jahr lässt zwar die ganz grossen Namen vermissen; dafür bietet das Fantoche Filmen eine Plattform, die im vergangenen Kinojahr sträflich vernachlässigt wurden. Die oscarnominierte Fabel «Mirai» von Mamoru Hosoda feiert am Fantoche endlich ihre – viel zu späte – Deutschschweizer Premiere. Und auch der rasante ungarische Thriller «Ruben Brandt, Collector» über einen von Albträumen verfolgten Kunsttherapeuten, der im vergangenen Sommer in Locarno seine internationale Premiere feierte, kommt dank dem Fantoche endlich vor ein breiteres Publikum.
Wie die genannten Filme dürfte es wohl auch das visuell verspielte Biografiendrama «Buñuel in the Labyrinth of the Turtles» (Titelbild) schwerhaben, es abseits des Fantoche in die Schweizer Kinos zu schaffen – trotz eines doppelten Gewinns am renommierten Animationsfilmfestival von Annecy. Mit «Les Hirondelles de Kaboul» von Zabou Breitman und Eléa Gobbé-Mévellec ist zudem zum dritten Mal in kurzer Zeit (nach «Ma vie de Courgette» und «Chris the Swiss») eine Schweizer Koproduktion am Fantoche zu sehen. Der Film, der im Mai in Cannes seine Weltpremiere feierte, dürfte in Anbetracht der immer mutiger werdenden hiesigen Trickfilmszene noch lange nicht der letzte Beitrag aus der Schweiz gewesen sein.
Stars in Baden: Ari Folman und Simon Otto
Ein besonderes Highlight bietet auch die Gästeliste des Festivals: Der israelische Regisseur Ari Folman, der mit seinem Dokumentarfilm «Waltz with Bashir» über den Libanonkrieg für Aufsehen gesorgt hatte, kommt nach Baden und wird über den Film von 2008 sprechen, sowie eine Master Class halten. Folman wird am Fantoche sicher auch von seiner neuesten Regiearbeit «Where Is Anne Frank?» erzählen, die im nächsten Jahr in die Kinos kommen dürfte. Mit Simon Otto kehrt auch wieder ein Auslandschweizer ans Festival zurück – der charismatische Head of Character Design der «How To Train Your Dragon»-Trilogie wird den dritten Teil der Reihe vorstellen und ausgiebig von seiner Arbeit erzählen. Unser ausführliches Interview mit Simon Otto und Regisseur Dean DeBlois findet ihr hier.

«The Lonely Orbit» von Frederic Siegel und Benjamin Morard
Erotische Fabeln und surreale Geister
Das Herzstück des Festivals bildet auch in diesem Jahr der Kurzfilmwettbewerb. Heuer präsentiert das Fantoche rekordverdächtige 84 Kurzfilme, die in drei Kategorien (Internationaler Wettbewerb, Schweizer Wettbewerb und Kinderfilm-Wettbewerb) um die Preise buhlen. Knapp die Hälfte davon sind im Internationalen Wettbewerb zu sehen, weshalb dieser auch gleich um einen zusätzlichen Block erweitert wurde. Wer alle nominierten Kurzfilme erleben möchte, braucht in diesem Jahr also noch mehr Sitzleder als sonst (und darf nun fünf statt vier Tickets kaufen). Doch das dürfte sich lohnen, denn die Auswahl in diesem Jahr kann sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen.
Wenn uns die estnische Trickfilmerin Chintis Lundgren mit ihrem abgedrehten Annecy-Gewinner «Toomas Beneath the Valley of the Wild Wolves» einmal mehr in die Welt der erotischen Tierfabeln entführt, dürfte kein Auge – und Schritt – trockenbleiben. Schon jetzt ein heisser Anwärter auf eine Auszeichnung ist Tomek Popakuls wilder Ritt «Acid Rain», der seit seiner Premiere am Sundance Festival mit unzähligen Preisen eingedeckt wurde. Andrew Onoratos herrlich surrealer Geisterklamauk «Geenie Reenie II» und das berührende Weltraumabenteuer «The Lonely Orbit» der beiden Trickfilmregisseure Frederic Siegel und Benjamin Morard versprechen zudem einen vielseitigen Wettbewerb. Letzterer tritt zusätzlich zum Internationalen Wettbewerb auch im Schweizer Wettbewerb an, wo er sich gegen Michael Freis Game-Kurzfilm-Hybriden «KIDS» und die verträumten «Lachfalten» von Patricia Wenger behaupten muss.
Ob kurz oder lang – das vielseitige Programm des Fantoche bietet etwas für jeden Animationsgeschmack und beweist, dass der Trickfilm lebendiger denn je ist. Bleibt zu hoffen, dass dies auch dem breiten Publikum nicht verborgen bleibt.
Das 17. Fantoche findet vom 3. bis 8. September 2019 in Baden statt. Das komplette Programm findet sich auf der Webseite des Festivals.
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Themenbezogene Interessensbindung des Autoren: Owley Samter moderiert fürs Fantoche und schreibt als freier Autor für den Festival-Katalog.
Bild- und Trailerquellen: Fantoche. Titelbild: © Salvador Simó / Buñuel in the Labyrinth of the Turtles, Salvador Simó, ES/NL 2018 – AKTUELLE LANGFILME – FANTOCHE 2019
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