Das 18. Zurich Film Festival steht vor der Tür – und das Programm lässt sich sehen: Die 18. Ausgabe glänzt mit einer spannenden Auswahl an Wettbewerbsfilmen und Galapremieren, Hollywoodstars, Autorenfilmer*innen, Serien und herausragenden Fokusthemen, darunter das spanische Kino und die Themenreihe #MyReligion.
Über 140 Filme aus 49 Ländern werden über die Leinwände flimmern. Und Gäste wie Eddie Redmayne, Charlotte Gainsbourg, Ben Kingsley und Luca Guadagnino werden ihre neuen Filme in der Limmatstadt persönlich präsentieren. Dass man in weniger als zwei Wochen nicht alle diese Filme sehen kann, versteht sich von selbst. Die Maximum-Cinema-Redaktion hat deshalb zehn Highlights ausgewählt, die es dieses Jahr keinesfalls zu verpassen gilt.
«The Banshees of Inisherin» von Martin McDonagh
Martin McDonagh, der Regisseur und Drehbuchautor hinter so wunderbaren schwarzen Komödien wie «In Bruges» (2008) und «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri» (2017), zieht es in seinem neuesten Film, dem bei den Filmfestspielen von Venedig doppelt ausgezeichneten «The Banshees of Inisherin», zurück zu seinen Wurzeln. Nicht nur werden hier die beiden überragenden «In Bruges»-Hauptdarsteller Colin Farrell und Brendan Gleeson wieder miteinander vereint; Titel und Prämisse scheinen auf McDonaghs Frühwerk als Theaterautor anzuspielen: Die Geschichte zweier bester Freunde, die vor dem Hintergrund des Irischen Bürgerkriegs 1923 dem Ende ihrer Freundschaft ins Auge blicken, verspricht – wie schon die Bühnenstücke «The Cripple of Inishmaan» (1996) und «The Lieutenant of Inishmore» (2001) – eine wunderbar schwarzhumorige Auseinandersetzung mit der irischen Geschichte. / Alan Mattli
«Bros» von Nicholas Stoller
Wer braucht denn noch eine kitschige US-Rom-Com? «Bros» aus der Feder von Nicholas Stoller und Billy Eichner wäre vermutlich wirklich ein vernachlässigbares Werk, würde der Film nicht als erste grosse Kinoproduktion den Blick von den immer gleichen heteronormativen Romanzen abwenden und stattdessen queere Liebesgeschichten in den Fokus rücken. Das sieht schon im Trailer angenehm erfrischend aus, und «Bros» könnte mit seinem queeren und diversen Cast und seiner sexuellen Unverklemmtheit ein Highlight des Festivals sein. / Olivier Samter
«Triangle of Sadness» von Ruben Östlund
Mit «Force Majeure» (2014) und «The Square» (2017) hat Ruben Östlund bereits zwei hochklassige Filme gedreht, die das Menschsein zwischen Kunst und animalischen Trieben, Naturgewalten und Kapitalismus seziert. Auf sein neues Werk «Triangle of Sadness», seinen ersten englischsprachigen Film, darf man sehr gespannt sein – hat er doch die Mode- und Kreuzfahrtbranche als Szenenspielplatz gewählt. Dafür wurde er an den Filmfestspielen in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, nach «The Square» bereits zum zweiten Mal. / Simon Keller
«Fire of Love» von Sara Dosa
Wer schon einmal Nahaufnahmen von ausbrechenden Vulkanen, brodelnder Magma und reissenden Lavaströmen gesehen hat, wird es wohl mit Material von Katia und Maurice Krafft zu tun gehabt haben. Das französische Vulkanologen-Paar, das 1991 beim Ausbruch des Unzen im Süden Japans ums Leben kam, übt auch über 30 Jahre nach seinem Tod noch eine ungebrochene Faszination aus – wie auch die feuerspeienden Berge, die sie so innig liebten. «Fire of Love» von der US-Dokumentarfilmerin Sara Dosa erzählt ihre Geschichte in ihren atemberaubenden Bildern, unterlegt von der Stimme von Miranda July («Kajillionaire»). (Und wer nach «Fire of Love» noch immer nicht genug hat, kann sich auch gleich noch «The Fire Within» von Werner Herzog zu Gemüte führen – die andere Krafft-Dokumentation mit Produktionsjahr 2022.) / Alan Mattli
«Sachertorte» von Tine Rogoll
Was wäre Wien ohne die Liebe? Wir erinnern uns an «Before Sunrise» (1995), in dem zwei junge Menschen die ganze Nacht im romantischen Wien verbringen, bevor sie am nächsten Morgen ihre Züge in Richtung Heimat besteigen, um sich dann über Jahre zu verlieren, weil es damals noch keine Handys gab. Und jetzt trifft der smarte Karl (Max Hubacher) auf die Wienerin Nini (Michaela Saba) am Berliner Bahnhof und verliebt sich in sie. Aber Karl verliert ihre Telefonnummer (ja, das geht, wenn sie nicht sofort im Handy gespeichert wird) und beschliesst, nach Wien zu ziehen, weil er weiss, dass Nini an ihrem Geburtstag traditionell um 15 Uhr im Café Sacher sitzt, um die weltberühmte Torte zu geniessen. Da er nicht weiss, wann sie Geburtstag hat, sitzt er nun jeden Tag um 15 Uhr im Sacher, um die wahre Liebe zu suchen und zu finden. Aufgrund der grossartigen Besetzung mit hochtalentierten Schweizer, österreichischen und deutschen Film- und Theaterschauspieler*innen verspricht dieser Liebesfilm viele ereignisreiche Begegnungen, die uns Wien auch jenseits von Sacher und der Fiaker näherbringt. / Beate Steininger
«Mad Heidi» von Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein
Endlich ist er da, die grosse «Heidi»-Exploitation-Kiste aus der Schweiz! Die Crowdfunding-Indie-Produktion von Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein über ein Nazis schlachtendes Heidi sah schon in den ersten Trailern fürs Crowdfunding angenehm trashig aus, und es ist zu hoffen, dass es den beiden Filmemachern gelungen ist, diesen Charme auch bei der Langfilmumsetzung beizubehalten. / Olivier Samter
«Bones and All» von Luca Guadagnino
Luca Guadagnino wird am diesjährigen ZFF mit dem «A Tribute to…»– Award ausgezeichnet – ein Preis, mit dem das Festvial Autorenfilmer*innen für ihren Beitrag zur Filmgeschichte würdigt. Mit «Call Me by Your Name» hat der in Palermo geborene Regisseur 2017 eine der wunderbarsten Leinwand-Leidenschaften überhaupt geschaffen. Wir sind entsprechend gespannt auf sein neues Werk «Bones and All», ein romantisches Horrordrama mit Timothée Chalamet in der Hauptrolle. Ausgezeichnet wurde der Film mit dem Silbernen Löwen für die Beste Regie an den Filmfestspielen von Venedig 2022. / Simon Keller
«Crimes of the Future» von David Cronenberg
Der Meister ist zurück: Acht Jahre mussten Fans des kanadischen Psycho- und Body-Horror-Experten David Cronenberg auf seinen neuesten Film warten. Und «Crimes of the Future» ist nicht nur irgendein Film: Nach einer Reihe tendenziell mainstreamtauglicher Produktionen – «A History of Violence» (2005), «Eastern Promises» (2007), «A Dangerous Method» (2011), «Cosmopolis» (2012), «Maps to the Stars» (2014) – scheint Cronenberg hier wieder ganz in sein ursprüngliches Element, den faszinierenden, fast schon romantisch angehauchten Körperhorror von «Videodrome» (1983), «Crash» (1996) und «eXistenZ» (1999), eingetaucht zu sein. Mit Viggo Mortensen, Kristen Stewart und Léa Seydoux in den Hauptrollen erzählt «Crimes of the Future» von einer Welt, in der plastische Chirurgie und maschinelle Eingriffe in körperliche Funktionen zur Norm geworden sind. Das klingt kryptisch und ein bisschen eklig – und dürfte genau darum Balsam für jene sein, denen das Kino bisweilen etwas zu brav daherkommt. / Alan Mattli
«Eismayer» von David Wagner
David Wagner («In Ayahs Augen») lässt in seinem Langspielfilmdebüt einen unbarmherzigen Vizeleutnant der alten Schule und einen schwulen Rekruten mit Migrationshintergrund aufeinandertreffen. Das klingt zunächst nach viel Klischee, bietet aber, wenn geschickt inszeniert, viel Stoff für eine packende Demontage von Hierarchien, Normen und Strukturen, gerade vor einem so konservativen Hintergrund wie der österreichischen Armee. / Olivier Samter
«Broker» von Hirokazu Kore-eda
Hirokazu Kore-eda ist ein Meister seines Fachs. So sagt er in Filmen wie «Like Father, Like Son» (2013), «After the Storm» (2016) oder «Shoplifters» (2018) mit wenigen Worten viel mehr über zwischenmenschliche Beziehungen und die Familie als deren Fundament als viele andere Filmemacher*innen. In «Broker» lotet er eine Geschichte rund um eine Babyklappe aus – eine Geschichte, die mit Bong–Joon-ho-Stammdarsteller Song Kang-ho («Parasite») hochgradig besetzt ist. / Simon Keller
«Rubikon» von Magdalena Lauritsch
«Science-Fiction aus Österreich? Geht nicht, gibt’s nicht!» Das war wohl das Credo der Jury des Filmfestivals Kitzbühel (FFKB), denn es hat dem Sci-Fi-Drama «Rubikon» seinen Produktionspreis verliehen. Den Mutigen gehört also die Welt, auch wenn die echte Station «Rubikon» in Wahrheit in Wien steht und Algen erforscht, welche die Menschheit mit Sauerstoff und Nahrung versorgen könnten. In Magdalena Lauritschs Film hingegen schreiben wir das Jahr 2056; die Weltregierungen wurden durch schurkenhafte mächtige Konzerne ersetzt. Die Soldatin Hannah (Julia Franz Richter) und die Wissenschaftler Gavin (George Blagden) und Dimitri (Mark Ivanir) halten in der titelgebenden Weltraumstation die Stellung, als die Erde unter ihnen in einem toxischen Nebel verschwindet und der Kontakt zu ihr abbricht. Das Trio muss sich angesichts der wenigen Alternativen entscheiden, ob sie die sichere Raumstation verlassen wollen und ob es sich überhaupt lohnt, weiterzuleben, wenn die Erde verschwunden ist. Die unterschiedlichen Moralvorstellungen werden in diesem spannenden Plot von grossartigen Schauspieler*innen und wuchtigen Bildern zum Ausdruck gebracht. Österreich kann mehr als Komödie. Dass muss gewürdigt werden. / Beate Steiniger
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Bild- und Trailerquellen: Zurich Film Festival 2022
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