Einzigartig! So soll das 72. Locarno Film Festival werden, steht bereits in der Einleitung des Festivalguides. Doch wie soll dieses hoch gesteckte Ziel erreicht werden? Ein kurzes Durchblättern in der dicken Programmzeitschrift verrät manches, lässt aber auch noch vieles offen. Wir verraten euch, was sich auf jeden Fall lohnt.
Vieles ist altbekannt: Rubriken wie den «Concorso Internazionale», den Nachwuchswettbewerb «Pardi di Domani» oder «Panorama Suisse» kennen (und schätzen) wir. Bei der 72. Ausgabe des Events soll sich aber auch einiges ändern. Schliesslich ist es das erste Festival für die neue künstlerische Leiterin Lili Hinstin. Im Editorial schreibt sie: «Ein grosses Festival muss erschüttern, überraschen, stören und hinterfragen». Ob das Festival diese Ansprüche erfüllt, kann wohl erst vor Ort beurteilt werden. Ein Rückblick auf die letztjährige Ausgabe findet ihr hier.
«Ein grosses Festival muss erschüttern, überraschen, stören und hinterfragen» Lili Hinstin.
Das 72. Locarno Film Festival bietet auf jeden Fall viele Gelegenheiten für einzigartige Erlebnisse. Folgende Events und Filme darf man sich auf keinen Fall entgehen lassen.
Hollywood-Feeling – im doppelten Sinne
Dieser Film wird seit Monaten heiss erwartet: Mit «Once Upon A Time in Hollywood» kehrt Quentin Tarantino auf die Piazza Grande zurück. Auf der Leinwand zu sehen sind unter anderem Brad Pitt, Leonardo DiCaprio und Margot Robbie, die das Publikum 50 Jahre in die Vergangenheit zurück entführen. Die Erwartungen an den Film sind gross und so erstaunt es auch nicht, dass er zum besten Zeitpunkt, nämlich am Samstagabend, 10. August, auf der Piazza Grande gezeigt wird. Wir durften den Film schon sehen. Hier gehts zu unserer Kritik.
Weitere Highlights auf der Piazza Grande sind «7500» von Patrick Vollrath, «Notre Dame» von Valérie Donzelli und «Diego Maradona» von Asif Kapadia.
In die Vergangenheit schweifen
Das Festival wirft jedes Jahr einen Blick in die Vergangenheit und widmet dabei seine Retrospektive einem bestimmten Thema oder einer Person. Im Kino GranRex lässt sich über Vergangenes nachdenken. Letztes Jahr stand Leo McCarey dabei im Fokus, dieses Jahr ist es das schwarze Filmschaffen. Die Retrospektive soll die Klischees über das schwarze Kino auflösen und Diskussionen zwischen Kultfilmen und seltenen Perlen eröffnen. 47 Filme werden in dieser Kategorie gezeigt, von mehr oder weniger bekannten Regisseuren. Namen, die besonders auffallen, sind Spike Lee («She’s Gotta Have It») oder Quentin Tarantino («Jackie Brown»).
Verrückt um Mitternacht
Das Konzept ist bekannt: Auf der Piazza werden gelegentlich zwei Filme hintereinander gezeigt. Doch in der Vergangenheit zog der zweite Film jeweils wenig Publikum an. Jetzt gibt es für diese zweite Vorstellung einen neuen Namen. Die «Crazy Midnight» verspricht verrückte Filme zu später Stunde, die sich an ein jüngeres Publikum richten. Freudig erwartet wird die einzige Schweizer Piazza-Premiere: «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei», der Schweizer Film von Natascha Beller. Die Protagonistin Leila hat es sich zum Ziel gesetzt, sofort schwanger zu werden und stürzt sich deshalb ins Nachtleben.
Besonders bunt und «crazy» wird es wohl auch im US-amerikanischen Film «Greener Grass» von Jocelyn DeBoer und Dawn Luebbe. Eine idyllische Vorstadtgemeinde, ein Baby und viel Paranoia: Man stellt es sich vor wie die Wisteria Lane … einfach noch verrückter!
Kein Oscar, aber den Leopard Club Award
Dass während der zehn Tage der eine oder andere Hollywood-Star nach Locarno reist, sind sich die Besucherinnen und Besucher gewöhnt. Wie jedes Jahr wird der Leopard Club Award verliehen, der Filmpersönlichkeiten würdigt, die sich durch ihre Arbeiten in das kollektive Gedächtnis eingeprägt haben. Nach Meg Ryan im letzten Jahr geht der Award nun an die zweifache Oscarpreisträgerin Hilary Swank. Die zwei Filme, für die sie jeweils den Oscar bekommen hat, werden im Programm gezeigt. In «Boy’s Don’t Cry» spielt sie einen Mann, der seinen Freunden verheimlicht, dass er transsexuell ist, in «Million Dollar Baby» eine Profiboxerin.
Verleihung am Freitag, 9. August um 21:30 auf der Piazza Grande.
La Rotonda
Zehn Tage lang steht Locarno im Zeichen des Films. Morgens um 9 Uhr öffnen die ersten Kinos ihre Türen, und mitten in der Nacht kommen Besucher in den Genuss der «Crazy Midnight». Wie verpflegt man sich in der kurzen Zeit, die einem manchmal zwischen zwei Kinobesuchen bleibt? Natürlich traditionell in der Rotonda, dem Kreisel mitten in der Stadt. Das Festivaldorf wird in diesem Jahr unter anderem von rund 20 Food-Trucks und sechs Themenbars umsorgt. Und wir würden uns nicht im Jahr 2019 befinden, wenn es nicht hiesse: Der Umwelt zuliebe wird auf Einwegplastik verzichtet, allgemein gibt es wenig Abfall und viel Holz. La Rotonda setzt auf Gastronomie, Live-Konzerte und Nachhaltigkeit – und wir auf volle Bäuche.
Das Locarno Film Festival denke dieses Jahr mehr denn je out of the box, heisst es. «Ein Festival mit einer neuen Vision, die einen frischen Wind mit sich bringen wird.» Wir sind gespannt und freuen uns jetzt schon aufs erste Brüllen des Leoparden auf der Leinwand!
Locarno Film Festival vom 7.–17. August 2019
Das ganze Programm findet man unter locarnofestival.ch/programm
Bildrechte: Locarno & Titelbild: https://www.hotelpiazza.ch
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