Der neue Dokumentarfilm «Whitney: Can I Be Me» von Nick Broomfield und Rudi Dolezal erzählt die tragische Geschichte des Aufstiegs, Untergangs und schliesslich des Todes der Ausnahmesängerin Whitney Houston, die 2012 an einer Überdosis verstarb. Und bewegt sich dabei auf dem schmalen Grat zwischen filmischen Tribut und voyeuristischer Exploration.
“She died from a broken heart” – so das Fazit von Kevin Ammons, einem engen Freund Houstons, das gleich zu Beginn des Films zu hören ist, noch bevor das Gesicht der amerikanischen Ausnahmekünstlerin auf der Leinwand erscheint. Ammons’ Zitat ist denn auch das Leitmotiv für den narrativen Bogen der Doku. «Whitney: Can I Be Me»: Der Film zeigt Whitney Houston als tragisches Opfer des eigenen Erfolgs und der Menschen in ihrer Einflusssphäre, die davon profitierten. Dafür beginnt der Dokfilm ganz von vorn: bei Houstons Kindheit, ihren Anfängen in den von Rassenunruhen geprägten Strassen von Newark, New Jersey in den 60er und 70er Jahren; bei ihrer Jugend, geprägt von der strengen Hand ihrer ehrgeizigen Mutter (Gospelsängerin Cissy Houston), Kirchenchor und sonntäglichen Kirchengängen und den ersten Erfahrungen mit Drogen mit ihren grösseren Brüdern. Dann der grosse Durchbruch mit bloss 19 Jahren, als Whitney Houston von Plattenboss Clive Davis entdeckt und als perfekte Popprinzessin an das breite (weisse) Amerikanische Publikum vermarktet wurde. Es folgen Höhepunkte, aber bald auch schon Tiefpunkte aus der Karriere dieser Ausnahmekünstlerin mit der engelhaften Stimme: ein Nummer 1-Hit nach dem andern, Vorwürfe des White-washing, Gerüchte um eine lesbische Beziehung mit ihrer Assistentin und besten Freundin Robyn Crawford, der Kinohit «Bodyguard» inklusive „I Will Always Love You“, die Ehe mit R&B-Bad Boy Bobby Brown und schliesslich immer mehr Drogeneskapaden.

WHITNEY: CAN I BE ME
„Success doesn’t change you. Fame does“
Dabei schert «Whitney: Can I Be Me» nicht weit aus von den Konventionen des Dokumentarfilmgenres: Mit Talking Heads, Archivmaterial, Privatvideos und wenigen neuen Filmaufnahmen greift der Film auf herkömmliche Mittel des Dokfilms zurück. Die Stärke von «Whitney: Can I Be Me» ist definitiv sein Stoff: Die tragische Geschichte um den spektakulären Aufstieg und den dramatischen Untergang der Popikone bietet bestes Material für einen packenden Dokumentarfilm. „Success doesn’t change you. Fame does“, sagt Houston in einem Interviewausschnitt. Das ist ganz klar auch die Botschaft, die «Whitney: Can I Be Me» vermitteln will. Dabei entkommt der Film dem eigenen moralischen Paradox aber nicht: Denn es gäbe kein Film, wäre da nicht eine Fülle an Filmmaterial, das die Popdiva zuweilen in sehr intimen, manchmal auch wenig schmeichelhaften Momenten zeigt. Dabei schwingt immer die Frage mit: Nutzt der Film, nutzen wir als Zuschauer, für ein unterhaltendes Kinoerlebnis nicht auch genau die Schattenseiten der unglaublichen Berühmtheit aus, an welchen Whitney Houston schliesslich zugrunde ging? Nach «Whitney: Can I Be Me» bleibt einem ein Kloss im Hals und ein bitterer Geschmack im Mund. Nicht zuletzt weil einem bewusst wird, welch ein aussergewöhnliches Talent die Musikwelt mit Whitney Houston verloren hat.
Kinostart Deutschweiz: 29. Juni 2017
Regie: Nick Broomfield und Rudi Dolezal / DarstellerInnen: Whitney Houston, Bobby Brown, Bobbi Kristina Brown, Robyn Crawford, Clive Davis uvm.
Trailer- und Bildquelle: Praesens-Film
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