«When it comes to love we all turn out to be our own worst enemy.»
Woody Allen erfindet das Liebesrad in seinem neuen Film «Wonder Wheel» zwar nicht neu. Er schafft es aber – und das zeigt seine ungebrochene Leidenschaft zum Film – seine Geschichte und seine Figuren so gekonnt durchs emotionale Licht- und Farbtupfer auszumalen, so dass die Leinwand zu einem impressionistischen Gemälde mutiert – poetisch und gefühlsintensiv.
«Wonder Wheel» spielt sich auf Coney Island ab und erzählt uns die Geschichte von vier gescheiterten Figuren, die sich im hektischen Treiben des Vergnügungsparks kreuzen: Die erfolglose Schauspielerin Ginny (Kate Winslet) jobbt in einem Imbiss. Sie trinkt, um zu vergessen und muss ständig Tabletten nehmen, um ihre Kopfschmerzen in dem wahnsinnig lauten Vergnügungspark zu bekämpfen. Ihr ungehobelter Mann Humpty (was für ein Comeback: Jim Belushi) betreibt ein Karussell und hat unlängst mit der Trinkerei aufgehört. Unser Erzähler in «Wonder Wheel» is der attraktive junge Rettungsschwimmer Mickey (Justin Timberlake), der von einer Karriere als Bühnenautor träumt. Eines Tages taucht plötzlich Humptys Tochter Carolina (Juno Temple) auf, die dieser seit ihrer Missheirat verstossen hat. Carolina sucht in der Wohnung des Vaters Zuflucht vor einer Gangsterbande. Das «Schicksal» will es so, dass die frustrierte Ginny Gefallen an dem jungen Rettungsschwimmer findet und ihre Wünsche und Träume auf diese Liaison mit dem Beau projiziert. Doch dieser interessiert sich vielmehr für Carolina. Der Ärger ist vorprogrammiert.
Emotionales Licht auf Coney Island
Die aussergewöhnliche Kameraarbeit im Film verdient es, einer näheren Betrachtung unterzogen zu werden. «Wonder Wheel» ist nach «Café Society» bereits die zweite Zusammenarbeit von Woody Allen mit Kameramann Vittorio Storaro. Der Italiener war bereits hinter der Kamera bei Klassikern wie «Apocalpyse Now», «Ultimo tango a Parigi», «Dick Tracy» oder «The Last Emperor». Nachdem sie bei «Café Society» die Farbgebung genutzt haben, um die räumliche Abgrenzung zwischen New York und Hollywood zu untermalen, gehen Storaro und Allen in «Wonder Wheel» einen Schritt weiter und nutzen unterschiedliche Farbtöne, um die inneren Konflikte vor allem der Figur Ginny und Carolina gegen Aussen sichtbar zu machen.
Vittorio Storaro sagt über die Arbeit an «Wonder Wheel»:
«I believe that light and color can be used in the same way as notes in music or words in a script. |…| There is a physiology of color, where a very warm color raises the metabolism or blood pressure on our bodies and a very cold color lowers it. So I connected all the warmer wavelengths, yellow, orange, red, with Ginny, and I visualized Carolina in the specific wavelength of light blue. So the two colors become like two characters, and Mickey is in the middle, and he reflects the tonality of whichever one he is near.»
Diese psychologische Innen-Gegen-Aussen-Kehrung der Gefühle zeigt sich auch bei anderen Filmen. Ein Meister dieser Vorgehensweise war etwa der italienische Regisseur Michelangelo Antonioni, der bei seinen Filmen neben Farben auch Architektur einsetzte, um die Gefühlswelt seiner Figuren in der Geschichte zu veräusserlichen.
Auch was die Schauspieler betrifft ist «Wonder Wheel» Woody Allen in Bestform.
Auch was die Schauspieler betrifft ist «Wonder Wheel» Woody Allen in Bestform. Speziell zu erwähnen ist Jim Belushi. Der Film-, TV- und Theaterdarsteller ist über 30 Jahre im Geschäft («The Blues Brothers» 1980, «Saturday Night Life» 1983, «Curly Sue» 1991, «The Ghost Writer» 2010, «Twin Peaks» 2017) und zeigt sich in «Wonder Wheel» von einer überraschenden Seite: Wuchtig und intensiv spielt der die Rolle des grummligen Humpty mit viel Herz, Emotion, Körper und Gefühl. Auch die Rolle des Schönlings wurde mit Justin Timberlake gut besetzt, bringt er doch eine Art Glamour des klassischen Hollywood Startum der 1930er/40er oder 1950er mit. Weniger tief gezeichnet als Belushis Figur, dafür aber mit viel Witz und naiver Jugendlichkeit. Der wahre Star des Films ist aber ganz klar Kate Winslet. Ihr Schauspiel ist ein filigranes Geflecht aus Moll und Dur. Sie spielt die komplexe Figur und die ebenso umfangreiche Wandlung der Ginny atemberaubend. Als tragische Figur bringt sie eine solch emotionale Tiefe rüber, so dass man am Ende des Films selbst Liebeskummer hat.
In «Wonder Wheel» zeigt er ein wunderliches Riesenrad, das Leben heisst – und das war bei Woody Allen selten so schön und bunt wie dieses Mal.
Beziehungen – ob komödiantisch oder tragisch erzählt – waren schon immer das Hauptthema der Filme von Woody Allen. Man kann von der Person des Regisseurs sagen und denken was man will, das Handwerk beherrscht der Regisseur aber immer noch mit Bravour. In «Wonder Wheel» zeigt er ein wunderliches Riesenrad, das Leben heisst – und das war bei Woody Allen selten so schön und bunt wie dieses Mal.
Kinostart: 25.1.2018 / Regie: Woody Allen / Mit Kate Winslet, Justin Timberlake, Juno Temple, Jim Belushi
Trailer- und Bildquelle: Frenetic Films
No Comments