Pornos und Horrorfilme haben so einiges gemeinsam – so die These des blutigen Slashers «X» von «The House of the Devil»-Regisseur Ti West. Das Verhackstücken erfindet der Film nicht neu, belebt es aber referenzfreudig und mit ästhetischem Anspruch wieder.
Eine Gruppe junger Filmemachender zieht (sich) aus, um einen Porno zu drehen. Nicht aber irgendeinen Schmuddelfilm, sondern einen ästhetisch anspruchsvollen. Das Jahr ist 1979 und der Hollywood-Durchbruch scheint für alle Involvierten zum Greifen nah: den schmierigen Produzenten Wayne (Martin Henderson) und seine vom Rampenlicht träumende Muse Maxine (Mia Goth), die Schauspielerin Bobby-Lynne (Brittany Snow) und ihren On-Off-Freund und Vietnam-Veteranen Jackson (Scott Mescudi, besser bekannt als Kid Cudi), den Kameramann und Film-Idealisten R.J. (Owen Campbell) und seine schüchterne Freundin Lorraine (Jenna Ortega), der das Porno-Milieu zunächst nicht ganz geheuer ist. Die Genres lassen vermuten: Es wird viel nackte Haut zu sehen geben – und kaum jemand wird die Nacht auf der einsamen Farm, die zum Dreh gemietet wurde, überleben.
«Eine Gruppe junger Filmemachender zieht (sich) aus, um einen Porno zu drehen. Nicht aber irgendeinen Schmuddelfilm, sondern einen ästhetisch anspruchsvollen. Das Jahr ist 1979 und der Hollywood-Durchbruch scheint für alle Involvierten zum Greifen nah.»
Eine Gruppe attraktiver junger Menschen, ein (scheinbar) idyllisches Landstück und ein starker Fokus auf Körperlichkeit: Das sind Zutaten für einen erfolgreichen Porno – aber auch für einen Metzelfilm. Stringent vertritt Ti Wests «X» die These, dass die beiden Genres nicht nur zu Unrecht als niedere Kunst verschrien werden, sondern auch inhaltlich einige Parallelen aufweisen: eine Obsession mit dem weiblichen Körper etwa, oft von der Kamera selbst in Einzelstücke tranchiert. Oder die Tatsache, dass Lust und Leid bei beiden nahe beieinanderliegen: Nicht umsonst ist Sex im Horrorfilm oft der erste Schritt in Richtung Ableben.
Doch bevor es ans Gemetzel geht, wird der Ästhetik gefrönt. Die Siebzigerjahre erstehen in bunter, körniger Pracht; der künftige Horror wird gemächlich und akribisch inszeniert: hier eine ominös hinter dem Vorhang hervorlinsende Gestalt, dort ein unheilvoll durchs Wasser gleitender Alligator. Gerade letztere Szene – aus Drohnenperspektive gefilmt –, in der Maxine ahnungslos im Wasser dümpelt, während das Verderben majestätisch auf sie zuschwimmt, ist meisterlich arrangiert. Der Anspruch ist klar: Im- und explizit bezieht sich West in Bildsprache und Skript auf Werke wie «The Texas Chain Saw Massacre» (1974) und «Psycho» (1960), lässt seine Charaktere über die qualitativen Ansprüche des Erotikfilms schwadronieren, und setzt die Körper der Porno-Truppe lustvoll in Szene, bevor sie – konsequenterweise – in ihre Einzelteile zerlegt werden.
«Im- und explizit bezieht sich West in Bildsprache und Skript auf Werke wie ‹The Texas Chain Saw Massacre› und ‹Psycho›, lässt seine Charaktere über die qualitativen Ansprüche des Erotikfilms schwadronieren, und setzt die Körper der Porno-Truppe lustvoll in Szene, bevor sie – konsequenterweise – in ihre Einzelteile zerlegt werden.»
Das Ganze ist kompetent, amüsant und angemessen blutig umgesetzt und zeigt, dass West sich der Geschichte, Klischees und Topoi seines Genres bewusst ist. Wie erfolgreich er Letztere aber unterwandert und dem angedeuteten feministischen Anspruch gerecht wird, sei dahingestellt: Letztendlich entspringt das erotische Potential doch überwiegend den nackten Schauspielerinnen – und der Horror dem Anblick des runzligen, altersfleckigen Frauenkörpers und der Erkenntnis, dass Frauen auch im Alter noch begehren.
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Filmfakten: «X» / Regie: Ti West / Mit: Mia Goth, Jenna Ortega, Brittany Snow, Scott Mescudi, Martin Henderson, Owen Campbell / USA, Kanada / 106 Minuten
Bild- und Trailerquelle:
Mit seinem Slasher «X» plädiert Ti West für den künstlerischen Anspruch von Pornos und Horrorfilmen. Das Resultat ist blutig und unterhaltsam – aber weniger subversiv, als es sein könnte.
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