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«X&Y» von Anna Odell

Von Lola Funk · On September 4, 2019


Nach ihrem Debüt «The Reunion», mit dem sie zwei Guldbagge Awards abräumte, bringt die schwedische Künstlerin und Regisseurin Anna Odell mit «X&Y» eine experimentelle Seelenstudie ins Kino, das in den undefinierbaren Gefilden zwischen Realität und Fiktion umhertaumelt, die Schmerzgrenze der im Film Beteiligten sowie der Zuschauer auslotet und mehr Fragezeichen als Antworten hinterlässt.

Am Anfang war die Idee: Die schwedische Künstlerin Anna Odell will anhand eines Experiments das Konzept der Identität erforschen, im besten Fall die überall gesuchte, aber noch nirgends gefundene ominöse Wahrheit dieser aufdecken. Die Entmystifizierung der eigenen Identität, das Entlarven dieses gewissen Etwas also, nach dem die Menschheit seit Gedenken sucht. Welche in einem jeden Menschenwesen verborgen schlummert und von dieser unergründlichen Tiefe aus das Salz und Pfeffer zum eigenen Wesen beiträgt – kurz: the spark that makes you you.

«Die Entmystifizierung der eigenen Identität, das Entlarven dieses gewissen Etwas, nach dem die Menschheit seit Gedenken sucht.»

Um diesem spark näher zu kommen, tut sie sich mit dem bekannten und ebenso polarisierenden Schauspieler Mikael Persbrandt zusammen. Die beiden werden für einige Wochen in einem Studio wohnen, das so kühl und kalkulierend wie Anna Odell selbst wirkt und an Lars von Triers Bühnenbild in «Dogville» erinnert, und ihre eigenen Persönlichkeiten anhand sechs renommierter schwedischer Schauspieler erweitern. Jeder von diesen mimt ein anderes Alter Ego der beiden Protagonisten: Die ängstliche (Jens Albinu), die intellektuell-künstlerische (Sofie Grabol) und die aufmüpfig-sexuelle (Vera Vitali) Variante der Anna respektive die triebgesteuerte (Thure Lindhart), rationale (Trine Dyrholm) und kreative (Shanti Roney) Seite des Mikael.

X&Y

Spielfilm? Doku? Reality TV? Metafilm?

In «X&Y» verschwimmen die Grenzen von Fiktion und Realität, Gattungskonventionen werden gesprengt. Die Schauspieler tragen im Film ihre realen Namen und spielen so vermeintlich sich selbst – oder besser gesagt: ihre Interpretation des Alter Egos, das ihnen zugeteilt worden ist. Doch inwiefern sind diese Interpretationen inszeniert? Ist Anna im Experiment, das sich grundsätzlich um ihre Person dreht, wirklich die wahre, authentische Anna Odell? Oder doch ihre Persona, die sich aus ihren Medienauftritten, ihrem künstlerischem Schaffen und dem Rest ihrer wahren Person zusammensetzt? Was ist nun also wahr, was inszeniert?

«X&Y» ist ein Metafilm, ein Film über ein Experiment, bei dem sich Person und Persona der auftretenden Schauspieler vermischt und als Experiment an Reality-TV angelehnt ist. So stechen sich Anna und Thure den Filmtitel unter die Haut (anders als bei Filmsternchen Honey Whitlock in John Waters‘ «Cecil B. Demented» geschieht das ganz freiwillig); im Verlauf des Filmes wird ein Baby (zu Schwedisch, sehr wohlklingend, ein «kunstbarn») gezeugt. Artefakte, welche die künstliche Filmwelt überdauern und weiter in der Realität weilen.

«Trotz der vermeintlichen Authentizität ist ‹X&Y› im Spielfilmlook gehalten: Kamera, Schnitt und Beleuchtung verneinen die Gattungszuteilung Dokumentarfilm.»

Ebenso wird der oftmals langwierige Prozess des Filmemachens durchleuchtet, wenn sich Anna mit der gesamten Filmcrew in die Haare gerät, als diese das Drehbuch partout nicht herausrücken will – weil es keins gibt. Die Szenen erinnern an «Casting» von Nicolas Wackerbarth, der als Metafilm die Zerwürfnisse zwischen Regie und Produktion aufzeigt. Und trotz der vermeintlichen Authentizität ist «X&Y» im Spielfilmlook gehalten, der von Inszenierung zeugt: Kamera, Schnitt und Beleuchtung verneinen die Gattungszuteilung Dokumentarfilm.

X&Y

Provokation? Sexzess? Genderhinterfragung?

Anna Odell ist für ihre Provokation bekannt. Im Jahr 2009 fakte die sich öffentlich zu ihrer labilen Psyche bekennende Künstlerin einen Nervenzusammenbruch samt Suizidversuch. Im Krankenhaus deckt sie die wahre Intention ihres dramatischen Verhaltens auf: Alles ist nur für ihren Kunstfilm geschehen. Doch wie viel darf die Kunst? Und wo hört der Spass auf? Dass die Aktion von Anna Odell ein Gericht zuerst beglaubigen musste, zeugt davon, auf welch engem Grat zwischen Kunst und inhumaner Zumutung für ihre Mitmenschen die schwedische Künstlerin wandert. In «X&Y» führt sie diesen polarisierenden Weg fort.

In den ersten Minuten wird bereits klar, welche Rolle Sex spielen wird: eine grosse. So dreht sich das erste Gespräch, das Anna und Mikael in einer Art Verhörzelle führen, darum, wie sehr sie sich zueinander hingezogen fühlen. Anna würde gerne den Strap-on an Mikael ausprobieren, den ihr das Produktionsteam freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Auch sonst dreht sich hier so ziemlich alles um Sex – und zwar auf so eine explizite Art, dass sich der Zuschauer fragt, ob das nun ein interessanter Skizzenentwurf der menschlichen Sexualität ist oder einfach die Jagd nach cheap thrills, nach der schnellen Befriedigung der Künstlerin, von der man sich selbst als vom Geschehen abgetrennter Zuschauer zur Abgrenzung gedrängt fühlt.

«‹X&Y› ist somit auch ein Kampf der Geschlechter, in welchem keines stärker als das andere ist und geschlechterspezifische Charakteristika neu zugeordnet werden.»

Neben der Sensationsgeilheit, die Anna Odell in «X&Y» mit ihrem zügellosen sexuellen Verhalten provoziert, geht der Film aber auch auf intelligente Weise mit dem Thema der Geschlechterrollen um: Anna will das «Alpha-Männchen» Mikael herausfordern. Automatisch muss man an die starke Szene aus «The Square» von Ruben Östlund denken, in der ein Performancekünstler als Alphatier eine gesamte cüplilinke Kunstgesellschaft am Dinner aus der Reserve lockt. Sie hinterfragt die männlich dominierte Filmbranche, in der Regisseurinnen zu finden sind. Und in «X&Y» ist es kein Mann, der wegen sexueller Nötigung angezeigt wird, sondern Anna, die ihre Alter Egos zur Massenmasturbation auffordert.

Auffallend ist auch, dass die eher weiblich konnotierte Seite der Anna, nämlich die ängstliche, passiv-zurückhaltende, von einem Mann (Jens Albinu) gespielt wird. Auf der anderen Seite wird die normalerweise männlich konnotierte Seite des Mikael, die rationale und bodenständige Seite, von einer Frau gemimt (sehr stark: Trine Dyrholm). «X&Y» ist somit auch ein Kampf der Geschlechter, in welchem keines stärker als das andere ist und geschlechterspezifische Charakteristika neu zugeordnet werden.

X&Y

Oder Narzissmus?

Wie ist nun also «X&Y»? In erster Linie nicht wirklich greifbar, irgendwo zwischen den bekannten Schubladen der Filmgenres anzusiedeln. Trägt Anna Odell mit dem Film einen Beitrag an die Kunst? Kunst kann alles, daher wohl ja. Aber wie sieht es mit der ominösen Aufdeckung der menschlichen Identität aus? Führt der Film zu einer Erleuchtung? Nicht wirklich. Vielmehr erfährt der Zuschauer wie auch die anderen Schauspieler des Projekts, wovon dieses lebt: von Anna Odells Narzissmus. Ob dieser wiederum aus Provokationsgründen nur inszeniert ist – darüber kann man sich den Kopf zerbrechen.

Das Erforschen der beiden Protagonisten anhand ihrer Alter Egos klingt zwar spannend, wird aber über die knapp zwei Stunden Filmlänge ermüdend. Die Schauspieler wollen mit ihrem Spiel etwas zu Tage fördern, das in der Tiefe der Psyche schlummert, bleiben aber bei jedem Versuch stecken. Was bleibt, ist die Lust des Sehens. Und man fühlt sich im Kinosessel ein wenig wie Gott, der auf das muntere Treiben seiner selbst erschaffenen Spezies Mensch hinabblickt und sich eines denkt: «Herrje.»

–––

Kinostart Deutschschweiz: 5.9.2019

Filmfakten: «X&Y» / Regie: Anna Odell / Mit: Mikael Persbrandt, Anna Odell, Vera Vitali, Shanti Roney, Trine Dyrholm, Thure Lindhardt, Sofie Gräbøl, Jens Albinus / Schweden / 112 Minuten

Bild und Trailerquelle: Outside the Box

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«X&Y» von Anna Odell
Lola Funk
September 4, 2019
6/10
Irgendwie faszinierend. Irgendwie anstrengend. Irgendwie auch nichtsaussagend. Eine Selbstbeweihräucherung von Anna Odell? Oder doch ein kluger Kunststreich?
6 Overall Score
Kunst.

Irgendwie faszinierend. Irgendwie anstrengend. Irgendwie auch nichtsaussagend. Eine Selbstbeweihräucherung von Anna Odell? Oder doch ein kluger Kunststreich?

2018Anna OdellJens AlbinuMikael PersbrandtSchwedenShanti RoneySofie GråbølThure LindhardtTrine DyrholmVera VitaliX&Y
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Lola Funk

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