In einer Welt, in der ein Algorithmus vorbestimmt, wann man die Jugend hinter sich lässt und zur erwachsenen Person wird, halten gewisse an dieser jugendlichen Freiheit mit aller Kraft fest. Dargestellt wird dies in Dennis Stormers «Youth Topia» mit knalligen Farben und absurden behördlichen Vorschriften.
Wer wann Alkohol trinken, heiraten und einen Beruf ausüben darf, wird vom Algorithmus bestimmt. Ermittelt, ob eine Person bereit ist, erwachsen zu werden, wird dies unter anderem durch deren Aktivitäten und das Verhalten auf Social Media. Das führt dazu, dass es sogenannte «Langzeitjugendliche» gibt: Menschen, die nach geläufigen Standards schon längst als erwachsen gelten würden.
Dazu gehören Wanja (Lia von Blarer) und ihre fünf Freund*innen. Sie geniessen ihre Freiheiten und machen den ganzen Tag nichts anderes, als Partys zu feiern und Blödsinn anzustellen. Doch obwohl sich Wanja auf den sozialen Netzwerken alles andere als erwachsen verhält, wird sie von der Behörde kontaktiert, die ihr einen Job in einem Architekturbüro offeriert.
Trotz anfänglichen Zögerns akzeptiert sie ihr neues Leben als Erwachsene, nur schon aufgrund der schönen grossen Wohnung und der Bestätigung, die sie durch ihre Erwerbstätigkeit erhält. Ihre Freund*innen verstehen ihren Sinneswandel nicht, und Wanja wird sich zunehmend bewusst, wie schwierig es ist, die Welten der Jugendlichen und Erwachsenen miteinander zu vereinen.
«Die Welt der Jugendlichen in «Youth Topia» ist bunt, grell-violett und ungezwungen, die der Erwachsenen gestochen scharf, ordentlich und zahm.»
Die Welt der Jugendlichen in «Youth Topia» ist bunt, grell-violett und ungezwungen, die der Erwachsenen gestochen scharf, ordentlich und zahm – ein Unterschied, der durch die verschiedenen Kamera- und Farbeinstellungen gekonnt hervorgehoben wird. Eher misslungen ist die Verwendung der Social-Media-Stories der «Langzeitjugendlichen»: Zwar wird die Lebensart der Jugendlichen so den Zuschauer*innen schnell vor Augen geführt, doch daraus resultiert auch eine Reizüberflutung. Man weiss nicht, wohin geschaut werden soll, welche Informationen nun wichtig sind und welche nicht. Zu schnell geschieht der Wechsel von einer Story zur anderen.
Auch sonst ist Dennis Stormers Film voller Übertreibungen und Zuspitzungen. Jugendliche sind extrem wild und euphorisch, wohingegen Erwachsene prüde und zugeknöpft sind. Dies wirkt teilweise realitätsfremd, was zu gewollt ulkigen Szenen führt. Nur schon bei einem Fehltritt ist es möglich, dass man vom Erwachsenen zum Jugendlichen zurückgestuft wird. So steht eines Tages Wanjas Vater (Nicolas Rosat) vor der Tür: Er hat Langzeitjugendlichen Alkohol ausgeschenkt und wird nun selbst wieder zum Jugendlichen zurückgestuft, was dazu führt, dass Wanja sein Vormund wird.
Alle geben sich der ihnen gegeben Rolle als Jugendliche*r oder Erwachsene*r vollkommen hin. War Wanjas Vater tags zuvor als Erwachsener noch zielstrebig, hängt er schon am nächsten Tag als Jugendlicher nur noch demotiviert zockend vor dem Bildschirm herum. Die Handlungen der Figuren sind dadurch teilweise nur schwer nachvollziehbar und wirken allzu konstruiert: Man fiebert nicht mit und kann sich mit keiner Seite wirklich identifizieren. Insbesondere da sich der Film als Satire versteht, müsste eine gewisse Identifikation stattfinden können – immerhin sollte damit der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten werden und ihr ihre Schwächen auf eine ironische Art aufzeigen. Das gelingt Stormer leider grösstenteils nicht.
«Ein grosser Pluspunkt ist die Geschichte. Stormer und Co-Autorin Marisa Meier haben mit ‹Youth Topia› eine originelle Dystopie über das Älterwerden und Jungbleiben-Wollen geschaffen. Der Film schöpft sein Potenzial aber bei weitem nicht aus.»
Ein grosser Pluspunkt hingegen ist die Geschichte. Stormer und Co-Autorin Marisa Meier haben mit «Youth Topia» eine originelle Dystopie über das Älterwerden und Jungbleiben-Wollen geschaffen. Der Film schöpft sein Potenzial aber bei weitem nicht aus. Obwohl er nur 85 Minuten lang ist, wirkt er langwierig, stellenweise sogar anstrengend. Die Szenen und Handlungen der Figuren scheinen sich oft zu wiederholen und es ist kein grosser Spannungsbogen ersichtlich. Trotzdem: Als Dennis Stormers erster Spielfilm bildet er eine gute Basis für dessen Karriere, und man kann gespannt sein auf das, was von Stormer als Nächstes kommt.
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Kinostart Deutschschweiz: 5.5.2022
Filmfakten: «Youth Topia» / Regie: Dennis Stormer / Mit: Lia von Blarer, Saladin Dellers, Elsa Langnäse, Lou Haltinner, Jürg Plüss, Timon Kiefer, Regula Imboden, Nicolas Rosat / Schweiz, Deutschland / 85 Minuten
Bild- und Trailerquelle: tellfilm GmbH
In «Youth Topia» wird eine scharfe Grenze zwischen Jugendlich- und Erwachsensein gezogen. Die Story ist originell, auch wenn der Film als Ganzes nicht allzu berauschend ist.
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