Als noch nicht allzualter Mitteleuropäer kennt man Krieg und Terrorismus nur aus Bildern und Schlagzeilen. Doch was steckt hinter den Meldungen mit äusserst kurzer Halbwertszeit? Nicola Bellucci, der Italoschweizer Regisseur geht dem mit einem extrem berührenden Dokumentarfilm auf den Grund.
Leider ist es uns gerade jetzt wieder, wo dieser im besten Sinne unterhaltsame Film ins Kino kommt, schmerzhaft bewusst geworden, wie viel Leid Terrorismus schafft. Auf der ganzen Welt. Wir merken, dass hinter grossen Schreckensmeldungen auch viele kleine private Katastrophen versteckt sind, die nicht minder schlimm sind. Dass Terrorismus nicht bekämpft werden kann. Schon gar nicht von heute auf morgen. Und dass die Welt aus sehr viel mehr Grauzonen besteht als unser manchmal träges Auge zu sehen scheint.
Nicola Bellucci stellt drei unerschrockene Tschetscheninnen in den Mittelpunkt seines Films. Sie kümmern sich um etwas, an das im Land niemand mehr zu glauben scheint: Menschenrechte und ihre Einhaltung. Die zahlreichen Widrigkeiten, mit denen sie deswegen im Alltag konfrontiert werden, nehmen sie hin. Manchmal müssen sie Kompromisse eingehen, sich anpassen. Ohne dabei ihre Würde zu verlieren.
Vieles liegt immer noch im Argen in der ehemaligen Bürgerkriegsstadt Grozny. Die Kriegswunden sind nicht verheilt, auch wenn Regierung und der Bauboom das gerne glauben machen wollen. Auch wer keine Angehörigen vermisst, die verschleppt oder umgebracht wurden, hat mit Sorgen zu kämpfen. Der Personenkult um Präsident Kadyrow nimmt laufend absurdere Züge an und hat sowjetische Ausmasse sogar schon übertroffen.
Die Islamisierung der traditionell patriarchalischen Gesellschaft macht es Frauen besonders schwer, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dies wird nicht nur an den Menschenrechtlerinnen gut gezeigt, sondern auch an einer jungen Sängerin mit grossen Träumen.
«Grozny Blues» trifft mitten ins Herz, weil der Film die menschliche Existenz in einer schwierigen Umgebung so treffend einfängt. Die Ambivalenz zwischen Hoffnung und Resignation, Mut und der nötigen Anpassung wird eingefangen. In wunderbaren Bildern und mit Menschen, die sich so ehrlich vor der Kamera äussern, weil sie nichts zu verlieren haben.
Es gibt wenige Dokumentarfilme mit so viel Tempo, die kein bisschen Tiefgang verloren haben. Ein Film, der einen mehrmals zum Schmunzeln bringt und sehr traurig zurücklässt. Unbedingt schauen.
Kinostart Deutschschweiz: 24. März 16 / Ein Film von Nicola Bellucci / Land: Schweiz 2015 / Laufzeit: 103 Minuten
Trailer- und Filmquelle: cineworx.ch
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