Die dritte Staffel von «Babylon Berlin» feiert das Weimarer Kino und die Emanzipation der Frau und macht auf eindrückliche Weise bewusst, wie sich im Berlin der späten Zwanzigerjahre langsam der Nationalsozialismus in der Bevölkerung breit macht.
Da es schade wäre, zu viel zu verraten bei einer so gelungenen Serie wie «Babylon Berlin», werden die folgenden inhaltlichen Angaben möglichst kurz und allgemein gehalten.
Wer die erste und zweite Staffel von «Babylon Berlin» gesehen hat, weiss, dass Gereon Rath (Volker Bruch) auf der Suche nach einem Schmuddelfilm zusammen mit Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) noch auf ganz andere Dinge stösst, wie zum Beispiel einen mysteriösen Eisenbahnwagen, für den sich alle interessieren, oder dubiose Verstrickungen im Inneren des Berliner Polizeiapparats.
In der dritten Staffel finden sich die beiden in der Welt des Weimarer Kinos wieder, wo sie den Tod von Betty Winter untersuchen und in die Machenschaften der Berliner Unterwelt hineingezogen werden. Neue technische Errungenschaften in der Kriminalistik werden angewandt und geben Aufschlüsse über hinterlassene Spuren. Einflüsse des Okkultismus und Entwicklungen an der Börse spielen ebenso eine Rolle wie der allmählich an Macht gewinnende Nationalsozialismus.
Filmgeschichte und gesellschaftliche Umwälzungen
Nach zwei grossartigen Staffeln «Babylon Berlin» sind die Erwartungen gross, und man hofft darauf, nicht enttäuscht zu werden. Und tatsächlich: Auch dieses Mal wird man mit grossem Kino belohnt. Das Weimarer Kino ist nun Thema und wird gebührend gefeiert. Mit dem Tod des Leinwandstars Winter und dessen Aufklärung taucht man zusammen mit Gereon und Charlotte in diese zauberhafte Welt am Übergang vom Stumm- zum Tonfilm ein. Das expressionistische Kino lässt grüssen: Szenen erinnern an «Das Cabinet des Dr. Caligari» (1920) und «Metropolis» (1927); der Look ist ganz im stilistischen Ausdruck der Kunst dieser Zeit gehalten; und oft findet man sich in den Studios von Berlin-Babelsberg wieder. Die Musik wiederum lässt auch Fans der letzten Staffeln nicht im Stich, doch sie ist etwas leiser und unaufdringlicher als noch «Zu Asche, zu Staub», aber genauso schön.
«Auch dieses Mal wird man mit grossem Kino belohnt.»
Neben der Thematisierung des frühen Tonfilms geht es in der dritten Staffel auch um gesellschaftliche Umwälzungen am Ende der Weimarer Republik. An erster Stelle stehen die Frauen, ihre Emanzipation, ihr Streben nach Unabhängigkeit und einem selbstbestimmten Leben. Abtreibung wird gesellschaftsfähiger und nicht mehr gleich schwer bestraft. Die Frauen rauchen öffentlich, tragen Hosen und mischen allmählich im öffentlichen Leben mit. In der dritten Staffel sind sie und ihr Kampf um Selbstbestimmung ganz klar im Mittelpunkt. Eine Ode an die Emanzipation der Frauen (in Berlin)!
Parallel dazu spürt man, wie der Nationalsozialismus langsam die Gesellschaft untergräbt und infiltriert, und weil man sich als Zuschauer*in bewusst ist, welches Unglück da noch naht, werden viele Ereignisse umso eindrücklicher und bedrohlicher. Das schlafende Ungeheuer wurde erweckt, und die Figuren in «Babylon Berlin» wissen nicht, was ihnen noch blühen wird, was beim Publikum ein Ohnmachtsgefühl auslösen kann. Zugleich lässt dies einen erahnen, wie naiv die Gesellschaft in ihr Verderben gelaufen ist und wie komplex die Gründe dafür waren, dass es so weit kam.
«Die Ausstattung ist ein wahres Fest für die Augen und besticht mit viel Liebe zum Detail, sodass man sich als Zuschauer*in das Leben zu dieser Zeit unglaublich gut vorstellen kann.»
Die dritte Staffel von «Babylon Berlin» unterhält genauso wie die Staffeln davor und ist auch wieder filmisch ein grosses Vergnügen. Kostüme und Musik lassen einen träumen und die Nostalgie der Zwanziger Jahre zelebrieren. Ornamentik und Pumphosen, Glitzer und Federboa – die Ausstattung ist ein wahres Fest für die Augen und besticht mit viel Liebe zum Detail, sodass man sich als Zuschauer*in das Leben zu dieser Zeit unglaublich gut vorstellen kann. Die Freude am Darstellen der aufkommenden Technik ist in Form von diversen Geräten und Utensilien der damaligen Zeit förmlich spürbar und erinnert bisweilen ein bisschen an Tim Burtons Filmausstattungen. Die Bildkompositionen sind wunderschön und würden auch auf der grossen Kinoleinwand nicht an Glanz verlieren.
Und auch die Schauspielerei ist wieder ein wahrer Genuss: Man leidet mit den einzelnen Figuren mit und kann ihre Dilemmata nachvollziehen, da sie auch bei Nahaufnahmen ihre Emotionen plausibel rüberbringen und die Jungschauspieler*innen ebenso überzeugen wie die namhaften Castmitglieder.
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Staffeln 1–3 von «Babylon Berlin» sind auf Sky Show verfügbar.
Serienfakten: «Babylon Berlin» (3. Staffel) / Regie und Drehbuch: Tom Tykwer, Achim von Borries, Henk Handloegten / Mit: Volker Bruch, Liv Lisa Fries, Leonie Benesch, Lars Eidinger, Hannah Herzsprung, Fritzi Haberlandt, Meret Becker, Benno Fürmann, Ivo Pietzcker / Deutschland / 12 Episoden à 45 Minuten
Bild- und Trailerquellen: Sky Show / Bildcopyrights: © Frédéric Batier/X Filme Creative Pool GmbH/ARD Degeto Film GmbH/Sky Deutschland/WDR/Beta Film GmbH
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