Das Kolumbianische Dreamteam, bestehend aus dem Ausnahme-Regisseur Ciro Guerra («Embrace of the Serpent») und Co-Regisseurin Christina Gallego zeigen sehr eindrücklich, dass der Rauschgifthandel, die Gier nach Reichtum und Macht und das damit verbundene Elend selbst vor den naturverbundenen Ureinwohnern keinen Halt macht.
Das gleissende Licht der brennenden Sonne scheint zwischen den beigen Felsbrocken hindurch, die eingebettet in horizontal angeordneten Stöcken ruhen und so die luftdurchlässige, aber kühlende Aussenhaut einer winzigen Hütte bilden. Ein kleiner Reiher stelzt gemächlich mit seinen dünnen Beinchen im kreisrunden Unterschlupf umher – bei ihm wartet ein junger kolumbianischer Mann mit Schnurrbart auf seine eigene Ermordung.
Eine blutige Fehde
«Birds of passage» berichtet über die blutige Familienfehde zweier Wayuu-Sippen, welche durch Geldgier entwurzelt in den Handel mit Cannabis einsteigen. Ehre, Arroganz, Machthunger und ein paar Idioten, all dies vor der herrlichen Kulisse Kolumbiens. Es kommt wie es kommen muss: Ein junges, hübsches Wayuu-Mädchen (Wunderbar: Natalia Reyes) erreicht das heiratsfähige Alter. In einem lauten Reigen aufgebrachter Männer vollführt sie eine Art wilden, magischen Paarungstanz. Der Junggeselle, der mithalten kann – sie darf jeden abweisen, der ihr nicht gefällt – hat das Recht, um sie zu buhlen und sie vielleicht sogar ehelichen.
Doch da wäre noch die Mutti, die Matriarchin des Klans, die noch ein kleines Wörtchen mitzureden hat; der eifrige Bewerber passt ihr gar nicht in den Kram. Er ist nicht vom selben Stand – und so verlangt sie eine lächerlich hohe Mitgift, die für den verliebten Heisssporn auch nicht im Entferntesten aufzubringen ist. Aber zum Glück gibt es Gras – und die Amis im Norden wollen immer mehr davon.
Wir sind im Stammesgebiet der Wayuu, irgendwo in Kolumbien, nahe der Grenze zu Venezuela, Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre. Der florierende Handel mit Rauschmitteln aus diesem berüchtigten Lande treibt ungeahnte Blüten und so steigen auch immer mehr Familienmitglieder indigener Stämme in dem Handel mit ein.
Wohlstand kann nur gedeihen, wenn Friede herrscht.
Der etwas über zweistündige Film hält – und zwar auf ganzer Länge – was die wundervoll inszenierte Anfangssequenz verspricht. Ein flirrendes, bildgewaltiges Epos über Stolz, Blut und Liebe – und natürlich jede Menge feinstes Marihuana. Eine gelungene Melange aus epischem Ethnodrama und Drogenkrieg. Dass die beiden Regisseure selbst Kolumbianer sind, merkt man an vielen akkurat in Szene gesetzten Details.
Farbenprächtig und kontrastreich dargebracht, nimmt einen Birds of Passage mit auf eine mystische Reise in dieser für Regisseur Ciro Guerra typischen, völlig unaufgeregten und doch absolut mitreissenden Art.
Farbenprächtig und kontrastreich dargebracht, nimmt einen der Film mit auf eine mystische Reise in dieser für Regisseur Ciro Guerra typischen, völlig unaufgeregten und doch absolut mitreissenden Art. Alles wirkt überaus realistisch und völlig unprätentiös, mehr wie eine sehr stylische Doku, nur ungemein Packender, was natürlich auch der staken Leistung der Schauspieler zu verdanken ist – und der wundervoll geführten Kamera (David Gallego).
Ein Lied – fünf Cantos
Die beiden Filmemacher wollen eigentlich keinen Realismus abbilden, auch wenn es den Anschein macht. Sie möchten die Story so erzählen, wie die Ureinwohner ihre Geschichten erzählen, in der magischen Art, wie sie mit ihren Liedern Realität in Mythos verwandeln. Geschichte wird bei den Wayuu in Form von Liedern, von einer Generation an die Nächste weitergegeben, so machen es die Schamanen, die Medizinmänner der Stämme, seit tausenden von Jahren. Hier wären wir auch schon beim Thema: denn nach kitschiger Film-Music à la Hollywood lauscht der transzendierte Kinogänger in dem wunderbar virtuosen Werk vergebens, was gefällt. Es gibt, neben wenigem Tribal-Getrommel nur ein einziges Lied, welches immer wieder zu vernehmen ist und den stillen Beobachter den ganzen Film hindurch begleitet. Ausserdem ist der Streifen liebevoll in fünf Cantos eingeteilt, also in fünf Gesänge, welche den «Kapiteln» ihren Namen geben.
Es war der Produzentin Christina Gallego und Regisseur Guerro überaus wichtig, den Stoff mit dem nötigen Bewusstsein und Respekt zu behandeln und diesen angelehnt an die Erzählweise rüberzubringen, die den indigenen Völkern Südamerikas inhärent ist.
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Kinostart Deutschschweiz: 25. Oktober 2018 / Streambar auf filmingo.
Filmfakten: «Birds of Passage» / Regie: Ciro Guerra, Christina Gallego / Mit: José Acosta, Carmiña Martínez, John Narváez, José Vicente, Natalia Reyes, Juan Martínez, Greider Mezan / Kolumbien / 125 Minuten
Bild- und Trailerquelle: trigon-film
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