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«Grüsse aus Fukushima» von Doris Dörrie

Von Alan Mattli @AlanMattli · On März 22, 2016


Erstmals seit dem Grosserfolg „Kirschblüten – Hanami“ im Jahr 2008 hat Doris Dörrie wieder in Japan gedreht. „Grüsse aus Fukushima“ ist ein anrührendes Drama, dessen Reiz allerdings von einem irritierenden Eurozentrismus getrübt wird.

Nicht alle Erzählkonventionen des Kinos verdienen es, beibehalten zu werden. Man denke an das „Manic Pixie Dream Girl“, den „Magical Negro“ oder den inspirierenden Kranken: Sie alle sind vorgefertigte Figurenschablonen, deren Hauptfunktion darin besteht, den – üblicherweise männlichen, weissen – Protagonisten zu unterstützen, ohne selber als dreidimensionale Persönlichkeit behandelt zu werden. Wer die Problematik hinter diesen Topoi kennt, wird rasch erkennen, dass sich auch Dörries neuester Film in diese fatale Richtung bewegt.

Im Zentrum von „Grüsse aus Fukushima“ steht Marie (Rosalie Thomass), eine junge deutsche Frau, die, überfordert von ihren Problemen, nach Japan fliegt, um dort in der Fukushima-Präfektur mit der Organisation „Clowns4Help“ den Einheimischen zu helfen, die seit der Reaktorkatastrophe von 2011 in Notunterkünften leben. Zusammen mit Moshe (Moshe Cohen) und Nami (Nami Kamata) will sie die wohnsitzlosen Senioren zum Lachen bringen, ist mit ihren Resultaten aber gar nicht zufrieden. Erst als die sture Satomi (Kaori Momoi) sie dazu auffordert, sie zu ihrem Haus in der Sperrzone zu fahren, wo sich die beiden häuslich einrichten, beginnt Marie, sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen.

An der Oberfläche ist Dörrie ein charmanter „Odd Couple“-Film mit ernsten Tönen gelungen. In elegantem Schwarzweiss erzählt sie von zwei Frauen, die gemeinsam den Dämonen ihrer Vergangenheit entgegentreten und voneinander lernen, wie sie ihr Leben neu ausrichten können.

Doch das Problem ist, dass diese Beziehung von Grund auf asymmetrisch ist. Während Marie offenbar aus privilegierten Kreisen kommt und ihre emotionale Krise auf einer von ihr zerbrochenen Partnerschaft beruht, sieht sich Satomi mit der Einsamkeit und den Schuldgefühlen einer Überlebenden konfrontiert; ihre Nachbarn sind tot, das Verhältnis zu ihrer Tochter (Aya Irizuki) ist zerrüttet, als letzte Geisha Fukushimas ist ihr kulturelles Erbe dem Untergang geweiht. Umso deplatzierter wirken Maries überzeichnete Wutausbrüche; umso mehr stellt sich das Gefühl ein, es mit einer verwöhnten Hauptfigur zu tun zu haben, die im Laufe des Films zwar lernen mag, wie man nach japanischem Brauch Tee serviert, sich aber charakterlich kaum weiter zu entwickeln scheint.

So bleibt nach diesem federleicht vorgetragenen Film ein schaler Nachgeschmack haften. Obwohl Satomi erzählerisch durchaus eine gewisse Selbstständigkeit zugestanden wird, wird sie – und mit ihr die moderne japanische Kultur, auf die stellenweise mit westlicher Verwunderung gezeigt wird – von Marie letztlich überschattet. Man wird das Gefühl nicht los, dass „Grüsse aus Fukushima“ die falsche Protagonistin hat.

Kinostart Deutschschweiz: 24.3.2016

Bildquelle: Filmcoopi

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Alan Mattli

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