«Sometimes evil drives a minivan.»
Mit Taglines wie «Everyone has a little dirty laundry» oder «It’s a hell of a day in the neighborhood» wurde sie bekannt: die Kultserie «Desperate Housewives». Die Namen Susan, Bree, Gabrielle und Lynette dürften den meisten ein Begriff sein. 15 Jahre nach der Premiere ist es höchste Zeit für einen Blick zurück auf eine der einflussreichsten Fernsehserien der Neuzeit.
15 Jahre ist es her – Sonntag, 3. Oktober 2004, das Datum –, seit «Desperate Housewives», das Popkulturphänomen der 2000er Jahre in den USA Premiere feierte. Susan, Bree, Gabrielle und Lynette erlösten in der Season 2004–05 den kriselnden Sender ABC, zusammen mit «Lost» (2004–2010) und «Grey’s Anatomy» (seit 2005), aus einem scheinbar unüberwindbaren Quotentief. 21,6 Millionen Zuschauer schalteten bei der Pilotfolge ein, was die Serie zum Quotenhit der ersten Stunde machte. Zum Vergleich: Die Pilotepisode von «Lost» verbuchte ‹nur› 18,6 Millionen Zuschauer, «The Big Bang Theory» wurde von 15,5 Millionen geschaut, «How I Met Your Mother» von 10,9 Millionen. Es war eine andere Zeit, von Streaming-Giganten war noch nichts zu hören, und Kabelsender wie HBO, FX und AMC waren noch in ihren Anfängen. Acht Jahre – bis zur letzten Episode am 13. Mai 2012 – konnte die Serie den stark umkämpften Sendeplatz am Sonntag um 21 Uhr halten. Auch wenn die Zuschauerzahlen stetig rückläufig waren (11,1 Millionen Zuschauer beim Finale), gehörte sie bis zum Ende zu den meist gesehenen Produktionen im Serienkalender.
«If you can’t do the time, don’t do the crime.» – «What is this, Shawshank Elementary?»
Die Protagonistinnen (mit Ausnahme von Eva Longoria) waren zu Beginn der Serie alle bereits über 40, was von den Medien immer wieder gerne hervorgehoben wurde. Sie brauchten keine starken Männer an ihrer Seite. Im Gegenteil: Susan Mayer (Teri Hatcher) hatte sich von ihrem Mann getrennt, nachdem sie ihn mit seiner Sekretärin erwischte. Lynette Scavo (Felicity Huffman) und Bree Van de Kamp (Marcia Cross) waren verheiratet, hatten in ihren Beziehungen aber zweifellos die Hosen an. Und auch das Ex-Model Gabrielle Solis (Eva Longoria) liess sich von ihrem Ehemann Carlos nicht auf der Nase herumtanzen – sie suchte Vergeltung für dessen emotionale Kälte in den Armen des 16-jährigen Gärtners und Boytoys John.

Nicollette Sheridan, Teri Hatcher, Felicity Huffman, Marcia Cross und Eva Longoria (v.l.n.r.).
Acht Staffeln, 180 Episoden und 13 Jahre erzählte Zeit umfasst das Vermächtnis von «Desperate Housewives». Figuren kamen und Figuren gingen, die vier «leading ladies» blieben der Serie von Anfang bis Schluss erhalten. Daneben dürfte die wichtigste Konstante der Serie die Strasse sein, in der die Hauptfiguren lebten, die Wisteria Lane in der fiktiven Stadt Fairview. Nicht zu verkennen ist auch die Ähnlichkeit zu Bruce Springsteens Hitsong vom gleichnamigen Album «Darkness on the Edge of Town» aus dem Jahr 1978:
«Well they’re still racing out at the trestles
But that blood it never burned in her veins
Now I hear she’s got a house up in Fairview
And a style she’s trying to maintain.»
Unverkennbar die Häuser mit ihren saftgrünen Gärten, weissen Lattenzäunen und farbenprächtigen Blumen. Was sich hinter der Fassade abspielte, erinnert stark an «American Beauty» (1999): unglückliche Vorstadtbewohner, heimliche Affären und unterdrückte Emotionen, resultierend in Missgunst, Depression und schliesslich Mord.
«You could have an affair with anyone and you choose the pharmacist? You are such a Republican.»
Wie «American Beauty» war auch «Desperate Housewives» nur schwer in eine Genre-Schublade zu stecken. Obwohl sie bei Preisverleihungen mehrheitlich als Komödie kategorisiert wurde, war die Serie eher eine Satire mit dramatischen und komödienhaften Elementen, Zuschüssen von Mystery, Thriller, Krimi und einer gehörigen Portion Soap-Opera. So vielseitig wie die Storylines waren auch die Darbietungen der Darsteller*innen. Neben zwei Golden Globes in Folge für die Staffeln eins und zwei als «Beste Serie», gewann Teri Hatcher (Susan) für ihre Darbietung in der ersten Staffel den Golden Globe und Felicity Huffman (Lynette) den Emmy Award. Marcia Cross und Eva Longoria waren beide ebenfalls für Golden Globes und Emmys nominiert. Hatcher, Huffman, Cross und Longoria, aber auch der zweiten Garde von Hausfrauen mit Nicollette Sheridan (Edie Britt, Staffeln 1-5), Alfre Woodard (Betty Applewhite, Staffel 2), Dana Delany (Katherine Mayfair, Staffeln 4-6), Drea de Matteo (Angie Bolen, Staffel 6) und Vanessa Williams (Renée Perry, Staffeln 7-8) ist es massgeblich zu verdanken, dass «Desperate Housewives» schauspielerisch ständig auf hohem Niveau agierte.

Die Hauptfiguren und Bewohner der Wisteria Lane in der ersten Staffel.
Eine der grossen Stärken lag neben den Performances in den Drehbüchern. Selbst in den abstrusesten Storylines, und davon gab es zahlreiche in acht Jahren, waren die Dialoge immer amüsant, gefühlvoll und energiegeladen. Ganz gleich ob bei einem hitzigen Dinner Date, einem Missverständnis zwischen einem Ehepaar, oder einem emotionalen Eingeständnis einer überforderten Mutter, das Drehbuchautorenteam rund um Serienschöpfer Marc Cherry waren stets darum bemüht, den ZuschauerInnen die Möglichkeit der Identifikation mit den ProtagonistInnen zu bieten. Am Ende des Tages waren die Bewohner der Wisteria Lane normale Leute, die einen Alltag bewältigen mussten. Keine Superhelden, keine Detektive, keine blitzgescheiten Ärzte, sondern eine Handvoll Nachbarn, die zu FreundInnen wurden. So war die Serie auch am überzeugendsten, wenn die vier Hauptdarstellerinnen die Bildfläche teilten – was der Serie zwischenzeitlich etwas fehlte – und am schwächsten, wenn sich die Storylines der einzelnen Figuren nicht kreuzten.
«Money can’t buy happiness.» – «Well, sure it can. That’s just a lie we tell poor people to keep ‚em from rioting.»
Es gab starke Staffeln (Staffeln 1, 3 und 4) und schwächere Staffeln (Staffeln 2 und 5), unvergessliche Storylines (Lynettes ADHS-Medikament-Abhängigkeit, Gabrielles sexueller Missbrauch, Rex Van de Kamps Untreue) und unnötige Filler-Storylines (Tom Scavos kurzes Gastspiel am College, Orson Hodges Kleptomanie, ein paar von Susans Liebschaften). Stark komponierte Episoden («Pilot», «Bang», «Something’s Coming», «Come on Over for Dinner») wechselten sich ab mit schlechten Episoden («We’re Gonna Be All Right», «In a World Where the Kings Are Employers» und «Epiphany». Man beachte aber, dass auch die unbedeutendsten Episoden immer solide Unterhaltung boten.

Die Männer: Tom (Doug Savant), Orson (Kyle MacLachlan) und Carlos (Ricardo Antonio Chavira).
Die Frage stellt sich immer, wie lange sich eine Serie selber treu sein kann. In der englischen Sprache wird dazu gerne von «jumping the shark» gesprochen, was sinngemäss so viel bedeutet wie «über den Haifisch springen». Es bezeichnet diesen Moment einer Serie, in dem sie ihren Zenit überschritten hat und sie (inhaltlich) nicht mehr ernstzunehmen ist. Serien mit besonders vielen Staffeln und Episoden laufen Gefahr, diesen Punkt früher oder später zu erreichen. Dass auch «Desperate Housewives» am Schluss nicht mehr dieselbe Serie war wie zu Beginn, ist klar. Dass man sie gegen Ende nicht mehr ernstnehmen konnte, darf bezweifelt werden, denn überzeichnete Storylines, neue Figuren, Morde und zahlreiche Schwangerschaften und Hochzeiten, um Geschichten voranzutreiben, gehörten seit Anbeginn zur DNA der Erzählung.
Es kann argumentiert werden, dass die Serie in eine ikonische Anfangsphase (Staffeln eins und zwei, mit einem Durchhänger anfangs zweiter Staffel), die Glanzzeit (Staffeln drei und vier), eine kurze Selbstfindungsphase (Staffel fünf, nach dem Zeitsprung) und schliesslich ein solides, gemütliches Endspiel (Staffeln sechs bis acht), eingeteilt werden kann.

Bree, Susan, Lynette und Gabrielle bei ihrem letzten Pokerspiel im Serienfinale «Finishing the Hat».
Selbst wenn sich die meisten inhaltlich womöglich nur noch an wenige Storylines erinnern können, bleiben die Figuren unvergesslich: Gabrielle und Carlos und die beiden Töchter, die sexuell unerschrockene Edie oder Lynette und Tom in ihrer starken Partnerschaft. Zwischenzeitlich waren auch Armie Hammer («Call Me by Your Name»), Chloë Grace Moretz («Kick-Ass») oder Sarah Paulson («American Horror Story») mit von der Partie und legten kurze Gastauftritte hin. Mary Alices philosophische Voice Overs zur immerzu eingängigen Musik von Steve Jablonsky («Transformers») am Ende der Episoden bleiben in Erinnerung, wie auch die Cliffhanger, die am Ende jeder Staffel Lust auf mehr machten.
«The opposite of love isn’t hate, it’s indifference. And if you hate me, that means you still care.»
«Desperate Housewives» war eine Serie, die eine Generation prägte und trotz ihrer enormen Länge stets zu unterhalten vermochte. Comedy, Drama, Guilty Pleasure, Mystery und Soap-Opera hat bislang keine andere Serie so gut zu vermischen gewusst. In den vergangenen 15 Jahren hat sich sowohl gesellschaftlich als auch in der Fernsehlandschaft vieles verändert. Während es damals ein Novum war, Frauen über 40 als Hauptdarstellerinnen zu sehen, findet man sie inzwischen zahlreicher vor, in Serien wie «The Good Wife» (2009–2016), «Big Little Lies» (2017–2019) oder «Better Things» (seit 2015). Sie alle greifen zentrale Themen aus «Desperate Housewives» auf – der Umgang mit dem Älterwerden, Freundschaft unter Frauen und die Beziehungen untereinander als Kontrast zu den romantischen Beziehungen im mittleren Alter.

Bree, Gabrielle, Karen McCluskey, Lynette und Susan in der 19. Episode der fünften Staffel.
«Desperate Housewives» war eine Serie, die eine Generation prägte und trotz ihrer enormen Länge stets zu unterhalten vermochte. Comedy, Drama, Guilty Pleasure, Mystery und Soap-Opera hat bislang keine andere Serie so gut zu vermischen gewusst.
Heute versprüht «Desperate Housewives» Nostalgie, indem sie eine noch einfachere Zeit beschreibt. Die Nachbarschaft ist Dreh- und Angelpunkt des Lebens, das «Fremde» wird durch andere Amerikaner verkörpert, und «Identity Politics» haben die Gesellschaft noch nicht so stark gespalten. Wenn Bree von ihren Freundinnen belustigt angeschaut wird und sie «You’re such a Republican» zu ihr sagen, dann stellt das die Freundschaft nicht gleich grundsätzlich in Frage. «Desperate Housewives» steht somit ein Stück weit auch für die Überwindbarkeit politischer Differenzen während der Bush-Jahre.
Besonders deshalb ist es spannend, «Desperate Housewives» wieder zu schauen. Während sie vor 15 Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen hat, kann man sie heute bereits als «modernen Klassiker» auffassen. Eine Serie, die zwar noch nicht so alt ist, aber bereits eine vergangene Zeit beschreibt, die so nicht wiederkommen wird. Es ist fast so, als ob man alte Freunde nochmals besucht, mit denen man früher viel Zeit verbracht hat und man mit ihnen nochmals in eine vergangene Zeit eintaucht.
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Alle acht Staffeln von «Desperate Housewives» sind auf DVD erhältlich.
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