Vom 21. bis 30. März fand das Festival International du Film de Fribourg statt. Die 39. Ausgabe des FIFF widmete sich insbesondere Kriminalfilmen aus aller Welt. Wir haben dem Programm auf den Zahn gefühlt und cineastische Höhen – aber auch Tiefen – erlebt.
Die Vorfreude auf das FIFF war aufgrund des vielversprechenden Filmprogramms gross. Auch wenn der Fokus der diesjährigen Ausgabe auf Krimis lag, waren viele andere Genres ebenso vertreten, darunter beispielsweise Kinder- und Science-Fiction-Filme. Wir probierten an drei Tagen von allem ein bisschen etwas aus. Die Erwartungen an den ersten Film auf unserem Programm, «Snow White» von Marc Webb, waren tief – zu Recht, wie sich herausstellte. Die mediale Aufmerksamkeit, die der Film schon weit vor dem Kinostart erhalten hatte, war überwältigend – und zwar im negativen Sinne. Bemängelt wurden unter anderem das Casting von Rachel Zegler («West Side Story») als Schneewittchen und die sieben CGI-Zwerge.
Anders als erwartet, wurde der Film nicht in der Originalsprache, sondern auf Französisch ohne Untertitel gezeigt, was angesichts des jungen Publikums durchaus Sinn ergab. Dass der Film auf Französisch war, lenkte aber nicht vom seichten Plot ab. «Snow White» ist einer von Disneys vielen Live-Action-Remakes ohne Herz und Seele. Jegliche noch so solide schauspielerische Leistung – insbesondere die von Rachel Zegler – wird von den fürchterlichen CGI-Zwergen plattgemacht. Da fragt man sich, wie viele solcher qualitativer Flops es aus dem Hause Disney noch braucht, bis ihr Konzept, Kreativität und Innovation im Keim zu ersticken und Altes so lange zu recyceln, bis einem schwindlig wird, umgekrempelt wird.

Rachel Zegler in «Snow White» / © 2024 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.
Durchgeschüttelt und nass gespritzt
Eine Überraschung war die Vorführung von «Exhuma» (2024) von Jang Jae-hyun. Dies lag allerdings weniger am Film selbst als am Kinosaal – denn es handelte sich um eine 4DX-Vorstellung. Was 4DX bedeutet, mussten wir am eigenen Leib erfahren: Die Sitze rüttelten mehr oder minder passend zur Szene, Wasser wurde uns ins Gesicht gespritzt und ein eigenartiges Parfüm wurde im Raum versprüht. Die ersten paar Minuten lang war das ganz unterhaltsam; nach einer gewissen Zeit störte es jedoch und begann, vom Film abzulenken.
«In 4DX muss man ‹Exhuma› nicht sehen.»
Dieser handelt von einer Gruppe koreanischer Schamanen, die damit beauftragt wurden, das Grab eines umstrittenen Familienoberhaupts auszuheben. Dass dies nicht so einfach wie gedacht ist, stellt sich schnell heraus, und schon bald beginnt ein Kampf um Leben und Tod. «Exhuma» ist ein gelungener gruseliger Mysterythriller. Die schauspielerische Leistung sitzt, die Spannung ist da und Klischees werden hier erfolglos gesucht. In 4DX muss man ihn aber nicht sehen.

Gang Dong-won in «The Plot» / © FIFF/Zip Cinema
Abwechslungsweise Klassiker und Flops
Neben neuen Filmen wurden auch genreprägende Klassiker wie «The Texas Chain Saw Massacre» (1974) von Tobe Hooper und «Rear Window» (1954) von Alfred Hitchcock gezeigt. Die vollen Kinosäle sprachen für sich: Das Publikum liebt ältere Kultfilme auf der grossen Leinwand. Schade ist jedoch, dass einige der neueren Filme nicht mit solchen Klassiker mithalten konnten. So waren der südkoreanische Film «The Plot» (2024) von Lee Yo-sup und der chinesische Film «The Wig» von Dong Yue eine Enttäuschung, und es ist fraglich, warum sie überhaupt ins Festivalprogramm aufgenommen wurden.
«Die vollen Kinosäle sprachen für sich: Das Publikum liebt ältere Kultfilme auf der grossen Leinwand.»
«The Plot» erzählt die Geschichte von Auftragskiller*innen, die Morde so planen, dass sie wie unscheinbare Unfälle aussehen. Dabei nimmt sich der Film selbst zu ernst, verrennt sich in seinem lückenhaften Plot und somit wirkt an manchen Stellen unfreiwillig komisch. So konnte sich manche Person im Publikum das Lachen nicht verkneifen, als ein Opfer dramatisch langsam mit dem Rollstuhl in eine Pfütze fuhr und durch einen Elektroschock getötet wurde. Begleitet wurde das ganze von lauter Musik, welche mehr den Anschein eines nicht mehr aufhörenden TikTok-Videos erweckte.
Kaum besser zu gefallen wusste «The Wig», in dem ein Anwalt von seiner zwielichtigen Vergangenheit eingeholt wird. Mit viel Pathos versucht Dong Yue, einen gespaltenen Helden, gespielt von Huang Xiaoming, zu schaffen, dessen grösstes Anliegen es ist, seinen Vater stolz zu machen: Er setzt sich für die Schwachen ein und verteidigt junge Frauen. Daneben konfrontiert er seine Vergangenheit und versucht, aus seinem moralischen Dilemma auszubrechen. Auch wenn die Ausgangslage der Geschichte durchaus vielversprechend ist, weist sie im Endeffekt keine Tiefgründigkeit aus und ist zu klischeebeladen.

Javier Gutiérrez und Raúl Arévalo in «La isla mínima» / © Praesens-Film
Ein krönender Abschluss
Versöhnlich gestimmt hat uns schliesslich unser letzter Film, «La isla mínima» von Alberto Rodríguez. Der Film aus dem Jahr 2014 spielt im unerbittlich heissen Südspanien der Achtzigerjahre. Die Erinnerungen an die Franco-Diktatur sitzen tief in der Gesellschaft, weshalb der Kriminalbeamte Juan (Javier Gutiérrez), der einen Mord an zwei Schwestern aufdecken soll, bei den Einheimischen nicht nur gut an. Zusammen mit Pedro (Raúl Arévalo) wurde er von Madrid entsannt, um das Dorf auszukundschaften und den Mörder zu finden, was sich aufgrund der verschwiegenen Dorfgemeinschaft als schwierig herausstellt. «La isla mínima» besticht mit seinen schönen Bildern Andalusiens, die einen starken Kontrast zu den grausamen Morden bilden. Der Film ist ruhig und schafft mit langen Kameraeinstellungen eine mysteriöse und nervenaufreibende Atmosphäre. Gute Unterhaltung ist mit diesem Krimithriller garantiert. So konnte das FIFF mit seinem diesjährigen Programm einige Wünsche erfüllen. Und dennoch waren auch ein paar Kuckuckseier unter den Filmen zu finden. Es bleibt zu hoffen, dass diese bei der Erstellung des nächsten Programms herausgefiltert werden.
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Titelbild: Roman Kasinksi
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