The Greatest Party That Never Happened
Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte. Die neueste Doku auf Netflix zeigt das Ausarten eines Grössenwahnsinns in einem Zeitalter, in dem ein vermeintlich grosser Teil der Gesellschaft durch den Einfluss sozialer Medien an den Rand der Verblödung getrieben wird.
Strand, Models, Luxusvillen und ein Line-up bestehend aus den weltweit beliebtesten Künstlern der Hitparaden. Das ist das «Fyre» Festival in den Bahamas, das jedes andere Musikfestival in den Schatten stellen will. So die Vorstellung. Das Gesicht dahinter ist William «Billy» McFarland; amerikanischer Unternehmer, grössenwahnsinniges «Genie» und letztendlich auch eiskalter Lügner, wie sich herausstellen wird. McFarland lancierte zuvor auch das Zahlungsunternehmen «Magnises» bevor er 2017 schliesslich «Fyre» gründete, das ursprünglich eine App zur Buchung von Musikern werden sollte. Das Luxusfestival auf den Bahamas sollte den gloriosen Startschuss zur Lancierung der App symbolisieren. Mithilfe von Rapper Ja Rule startet McFarland mit seiner Firma «Fyre» Media eine Promokampagne basierend auf einer unglaublich verzerrten Realität, die sowohl die zukünftigen Festivalbesucher als auch Investoren gekonnt mit der Idee eines Luxusfestivals strotzend vor Überfluss und digitaler Anerkennung völlig blendet.
«If we wanna go fucking see the pigs, and the girls wanna see the pigs, we fucking go see the pigs»
Für besagte Promokampagne werden also die einflussreichsten Models und Influencerinnen in die Bahamas eingeflogen, die brav auf ihren Social-Media-Kanälen teilen sollen, was für eine wunderbare Zeit sie doch alle zusammen unter der karibischen Sonne verbringen. Natürlich inklusive einem Besuch der schwimmenden Schweinchen. Mittendrin McFarland, Ja Rule und ihr jetzt schon überfordertes Team, das ab den irrwitzigen Illusionen ihrer Vorgesetzten erste Bedenken äussert. Doch die Kampagne schlägt an, praktisch über Nacht verkauft sich die Mehrheit der Tickets für ein Festival, das niemals so stattfinden wird, wie es verkauft wurde. Während einige Teammitglieder skeptisch bleiben, kommt McFarland erst richtig in Fahrt. Irgendwie kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, obschon die neueste Netflix-Produktion stilistisch nicht viel hergibt. Sie schwappt etwas verloren zwischen herkömmlicher Doku mit langweiligen «Talking Heads» und einer altbekannten MTV-Ästhetik, die vermutlich eben diese Millenials ansprechen soll, die auch «Fyre- Festivaltickets kaufen würden. Das wirkt letztendlich wie «Filmemachen nach Rezept», wo man etwas willkürlich Elemente mischt, die ganz okay funktionieren.
Unsicherheit macht McFarland menschlich
Inhaltlich macht der Film das grösstenteils wieder wett. Es wird ein scharfes Bild unserer mediengeilen Gesellschaft gezeichnet, ohne es dem Zuschauer aufzwingen zu wollen. Das machen die Influencer und Figuren hinter dem Festival ganz von alleine. Dabei ist es schade, dass McFarlands Person nicht tiefer analysiert wird. Obwohl er als psychopathischer Lügner aus der Doku hervortritt, wirkt er in allen Einstellungen etwas fehl am Platz und scheint sich – vor allem neben Grossmaul Ja Rule – stets unwohl in seiner Haut zu fühlen. Diese Unsicherheit verleiht ihm ein Fünkchen Menschlichkeit, das sich in keiner seiner Handlungen so widerspiegelt und dadurch einen komplexeren Charakter hinter der arroganten Fassade vermuten lässt. Ebenfalls ganz ignoriert wird die Tatsache, dass die Doku unter anderem von «Jerry Media» produziert wurde; jener Medienagentur, die auch beim Marketing des Festivals beteiligt war, was dem ganzen Film nochmals einen ganz anderen Nachgeschmack verleiht.
Insgesamt bleibt die Doku sehr oberflächlich – was aber letztendlich auch die ganze Geschichte des «Fyre» Festivals auf einer Metaebene kommentiert. Ob der Film das nun bewusst so wollte oder nicht bleibt offen. Sehenswert – auch wenn man sich immer sehnlicher ein «Dislike – Knöpfchen» bei Instagram herbeiwünscht.
Auf Netflix Schweiz verfügbar / Regie: Chris Smith /
Bild – und Trailerquelle: Netflix
Ein Instagram Märchen, das zum Albtraum mutiert. Stilistisch knapper Durchschnitt, inhaltlich auf verstörende Weise faszinierend.
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