Fast ein Jahrzehnt nachdem wir uns von Woody, Buzz Lightyear und Co. verabschiedet haben, will es Pixar noch einmal wissen. «Toy Story 4» bleibt hinter den letzten Teilen zurück, ohne wirklich wehzutun. Haben wir beim dritten Teil noch Tränen vergossen, so reicht es bei dieser unnötigen Fortsetzung leider nicht für viel mehr als ein müdes Schulterzucken. Daran ändert auch eine Handvoll lustiger Einfälle nichts.
Kaum eine Filmreihe der Neuzeit gilt als so würdig und logisch abgeschlossen wie Pixars «Toy Story»-Trilogie. Nicht nur war «Toy Story 3» (für lange Zeit der umsatzstärkste Trickfilm aller Zeiten) bei Kritik und Publikum ein voller Erfolg – Lee Unkrichs Spielzeugschwanengesang wurde als erst dritter Animationsfilm überhaupt für den Oscar für den besten Film nominiert. Die berührende Fortsetzung von 2010 schien zu beweisen, dass Pixar, selbst wenn es um Sequels geht, das richtige Gespür hatte. (Dass das eine absurde Vorstellung war, stellte das Studio im Folgejahr mit «Cars 2» gleich selber richtig.)
Somit überrascht es wenig, dass die Vorzeichen für einen vierten Film denkbar schlecht standen. Doch Disney wäre nicht Disney, würde man es nicht trotzdem wissen wollen: Neun Jahre nach dem letzten Teil und 20 Jahre nach dem zweiten Film erscheint nun also «Toy Story 4». Im Zentrum der neuen Geschichte steht ein Göffel, den die kleine Bonnie im Kindergarten mit Müll und Knete zu einem Spielzeug namens Forky ummodelt. Während Bonnie in Forky ein neues Lieblingsspielzeug findet, will dieser lieber dorthin zurück, wo er herkommt: in den Mülleimer. Der treue Cowboy Woody und seine Freunde müssen alles unternehmen, damit Bonnies neuer, verwirrter Freund bei ihr bleibt.
«Toy Story 4» zeigt, was passieren kann, wenn acht Personen bei einem Drehbuch mitreden.
Die Prämisse von «Toy Story 4» bietet Anlass, um interessante erzählerische Wege einzuschlagen – schliesslich stürzt das Auftauchen des neuen Lieblingsspielzeugs Forky auch Woody in eine Identitätskrise. Doch abgesehen von einem mutigen Abschluss bleibt uns das wirre und unnötig komplexe Drehbuch einiges schuldig. «Toy Story 4» zeigt, was passieren kann, wenn acht Personen bei einem Drehbuch mitreden. Inwiefern das holprige Script dem Fall von Pixar-Chef (und zeitweiligem Co-Regisseur) John Lasseter geschuldet ist, wird sich wohl nie ganz beantworten lassen. Lasseter wurde 2017 von Pixar beurlaubt und schliesslich freigestellt, nachdem eine Reihe von Frauen ihm vorwarfen, sie sexuell belästigt zu haben. Tatsache ist: Zusammen mit Lasseter verliessen auch die Drehbuchautoren Rashida Jones und Will McCormack im Herbst 2017 – also unmittelbar vor Produktionsstart und somit zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt – das Projekt.
Nun muss man aber fairerweise sagen, dass «Toy Story 4» nicht das erwartete Trainwreck ist. Auch im vierten Durchgang hat die Spielzeugwelt einen unbestrittenen Charme, und Tom Hanks ist ein knappes Vierteljahrhundert nach dem ersten Film noch immer der coolste Cowboy der Welt. Auch visuell kann man dem Film keine Vorwürfe machen. Dass Pixar zumindest auf dieser Ebene das Handwerk beherrscht, ist unbestritten. Die Verspieltheit der Crew zeigt sich nicht nur in den kleinen liebevollen Details und versteckten Anspielungen, sondern auch in der überbordenden Fantasie, die ein Film über zum Leben erweckte Spielzeugfiguren bisweilen erfordert. Beachtenswert ist dabei auch die Entscheidung der Macher, den Look des Films trotz deutlich fortgeschrittener Technik ans Niveau der alten Filme anzupassen.
Tom Hanks ist ein knappes Vierteljahrhundert nach dem ersten Film noch immer der coolste Cowboy der Welt.
Am meisten Freude bereiten einem in «Toy Story 4» die neuen Figuren: Der durchgeknallte Forky bekommt tatkräftige Unterstützung vom überdrehten Plüschtierduo Ducky und Bunny (gesprochen von Keegan-Michael Key und Jordan Peele), und Keanu Reeves sorgt als kanadischer Stuntman Duke Caboom für haufenweise Lacher. Gleichzeitig merkt man aber, dass Pixar allmählich nicht mehr weiss, was mit den restlichen Figuren anzustellen ist. «Toy Story 4» dreht sich praktisch nur um Woody und Forky. Während Buzz Lightyear wenigstens noch einen lustigen Running Gag spendiert bekommt, bleiben die anderen Spielzeuge dabei auf der Strecke. Das schmerzt besonders, wenn man an das versammelte Sprechertalent denkt, das dabei brachliegt: Tim Allen, Joan Cusack, Timothy Dalton oder Kristen Schaal.
Nicht so übel wie befürchtet, aber…
Nein, «Toy Story 4» ist nicht so übel wie befürchtet – der kunterbunte Spielzeugfilm bietet dem Publikum gewohnte Kost: Ein paar lustige Figuren, gute Gags und Musik von Randy Newman. Doch das wahre Drama findet zwischen den Zeilen statt: Dass wir uns inzwischen bei einem Pixar-Film mit «nicht so übel wie befürchtet» zufriedengeben, sollte uns Sorgen machen. Für Pixar-Standards – und speziell für den Standard, den die bisherigen «Toy Story»-Fortsetzungen an jede weitere Fortsetzung gesetzt haben – ist dieser Film eine ernüchternde Angelegenheit.
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Kinostart Deutschschweiz: 15. August 2019
Filmfakten: «Toy Story 4» / Regie: Josh Cooley / Sprecher: Tom Hanks, Tim Allen, Annie Potts, Tony Hale, Keegan-Michael Key, Jordan Peele, Christina Hendricks, Keanu Reeves / USA 2019 / 100 Minuten
Bild- und Trailerquelle: The Walt Disney Company Switzerland / Pixar Animation Studios.
Dieser Film wäre wirklich nicht nötig gewesen. Das wirre Drehbuch, bei dem eindeutig zuviele Köche mitgeredet haben, lässt die Freude der letzten drei Filme deutlich vermissen.
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