Mit dem tanzenden Spiel der Bürsten einer Autowaschanlage beginnt Rúnar Rúnarssons Portrait des zeitgenössischen, digitalisierten Island während der Weihnachtszeit. Dieser ballettartige Auftakt, begleitet von Kjartan Sveinssons atmosphärischer Musik, lässt das Publikum ein narratives Drama erwarten. Doch «Echo» überrascht mit 56 kurzen aufeinanderfolgenden Episoden mit nicht-wiederkehrenden Geschichten und Charakteren.
Da ist die Mutter, die mit ihrem Baby kuschelt, der Bestattungsunternehmer, der ein totes Kind in der Kirche aufbahrt und mit seinem Sohn telefoniert, um Einkäufe zu besprechen. Da sind die Kinder, die ein Krippenspiel darbieten und die Eltern, die alles filmen, ohne ein einziges Mal zur Bühne zu schauen. Ein Bauer brennt das Haus seiner Grossmutter nieder, weil es günstiger kommt, als es zu renovieren, während auf einer Baustelle die polnischen Arbeiter streiken. Ein Mann versucht einen Kredit zu erhalten, um seinen Kindern etwas zu Weihnachten zu schenken, während eine Mutter beim Putzen in einem Museum von ihrem Ex darüber informiert wird, dass er mit den gemeinsamen Kindern über die Feiertage verreist. Ein Supermarkt entsorgt Lebensmittel nach Ladenschluss; das Rote Kreuz verteilt Essen an Bedürftige.
Der Wunsch nach einem schönen Leben
In diesen ein- bis zwei minütigen Szenen, hauptsächlich von Laiendarstellern gespielt oder dokumentiert – in der Stadt und auf dem Land, drinnen und draussen – wird der Wunsch nach einem schönen Leben (und schönen Weihnachten) schonungs- und kommentarlos widergespiegelt.
Was bleibt sind die Bilder und die kurzen Einblicke ins menschliche Zusammensein. Ein sehenswerter Film, der noch lange nachhallen wird.
Rúnar Rúnarsson hebt sich mit diesem Werk von seinen bisherigen Filmen wie «Volcano» (2011) und «Sparrows» (2015) ab und sagte selbst, dass er am Anfang nicht wusste, was aus den vielen Episoden (es waren mehr als 200) am Ende entstehen würde. Es gibt keine klassische Erzähldramaturgie. Die Szenen setzen mitten im Geschehen an; Anfang und Ende sind offen. Grossartig auch die Kamera von Sophia Olsson, welche die subtilen Puzzleteile dieser oft tragisch-komischen, aber nie zynischen Szenen zu einem poetischen Ganzen zusammenfügt. Was bleibt sind die Bilder und die kurzen Einblicke ins menschliche Zusammensein. Ein sehenswerter Film, der noch lange nachhallen wird.
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Kinostart Deutschschweiz: 26.12.2019
Filmfakten: «Echo» / Regie: Rúnar Rúnarsson / Mit: Sigurmar Albertsson, Bent Kingo Andersen, Sif Arnarsdóttir, u.vm. / Island / 79 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Xenix Filmdistribution GmBH
In 56 Episoden, die lange nachwirken, zeigt «Echo» das zeitgenössische, digitalisierte Island in der Weihnachtszeit – und damit das menschliche Zusammensein in all seinen tragikomischen Facetten.
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