«L’Ordre des médecins» ist ein gelungener Film über Verlust, Ohnmacht, Leben und Tod, ohne dabei an Nahbarkeit zu verlieren. Der Fokus auf die Menschlichkeit der Protagonisten, gespickt mit autobiografischen Zügen, ist die grosse Stärke des Films und macht ihn zum überzeugenden Familien- statt Krankenhausdrama.
Simon arbeitet als Lungenspezialist in einem französischen Krankenhaus. Am meisten Zeit verbringt er mit seinen ArbeitskollegInnen, einem eingeschworenen Team. Als seine Mutter ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist er an seinem Arbeitsplatz plötzlich nicht mehr nur Arzt, sondern auch Sohn, Bruder und Onkel, und sein Leben gerät langsam aus den Fugen.
Ärzte mit Grenzen
Die Eröffnungsszene von «L’Ordre des médecins» präsentiert unumwunden das zentrale Thema des Films: die Machtlosigkeit der Medizin im Angesicht des unausweichlichen Todes. Jeder Arzt und jede Ärztin kennt den Moment, in dem klar wird, dass man nicht mehr helfen kann. Ein Gefühl, das auch Simon (Jérémie Renier) gut kennt und gelernt hat, damit umzugehen. Nicht selten fordert das einen gewissen derben Humor, den die jüngeren KollegInnen (noch) nicht teilen.
Doch «L’Ordre des médecins» ist weder die Inszenierung eines zynischen Arztes à la «House» noch Nervenkitzel und Romanze wie bei «Grey’s Anatomy», obwohl auch solche Momente Platz finden. Der Film schafft es stattdessen, ein universelles Thema sehr persönlich zu gestalten. Durch Simon erleben wir die Krankheit seiner Mutter (Marthe Keller) aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Egal ob Arzt, Sohn, Bruder, Freund oder Liebhaber – Simons verschiedene Rollen ermöglichen dem Publikum, sich rasch mit dem Geschehen zu identifizieren.
Diese Nahbarkeit ist schliesslich die grosse Stärke des Films. Sowohl der Krankenhausalltag als auch das Familienleben, der Verlust und die Trauer wirken stets authentisch und nachvollziehbar. Man merkt deutlich, dass Regisseur und Drehbuchautor David Roux hier auf viel eigene Erfahrung zurückgreifen konnte. Ohne übertriebene Sentimentalität finden der Tod seiner eigenen Mutter und die Arbeit seines Bruders, ebenfalls Pneumologe, nachdrücklich Eingang ins Geschehen auf der Leinwand. So sagt Roux auch in einem Interview im Presseheft «‹L’Ordre des médecins› ist mehr als ein Film über das Krankenhaus, er ist ein Film über die Familie geworden».
Ab und zu scheint er dem Film mit künstlichen Mitteln Tiefgang verschaffen zu wollen. So ertönt zum Beispiel die immer gleiche bedrückende Musik beim Gang durch die düster gehaltenen Korridore. Dabei hätte das der Film gar nicht nötig. Denn «L’Ordre des médecins» überzeugt als solides, sehr persönlich gehaltenes Drama über Leben und Tod, Macht und Ohnmacht und allen voran Familie.
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Kinostart Deutschschweiz: 8.8.2019
Filmfakten: «L’Ordre des médecins» / Regie: David Roux / Mit: Jérémie Renier, Marthe Keller, Zita Hanrot, Maud Wyler, Alain Libolt / Frankreich / 93 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Cineworx GmbH
Ein persönlich gehaltenes Familiendrama, das die grossen Fragen des Lebens authentisch und nahbar angeht.
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