Mit «The Beguiled», ihrer Neuverfilmung von Thomas P. Cullinans Roman A Painted Devil, beweist Sofia Coppola aufs Neue, welch ein Talent für Atmosphäre und filmische Feinheiten sie besitzt. Und hat dafür dieses Jahr – als erst zweite Frau je – die goldene Palme für die beste Regie in Cannes gewonnen.
«The Beguiled» spielt im Jahre 1863, mitten im amerikanischen Bürgerkrieg zwischen den sklavenhaltenden Südstaaten und den Unionsstaaten aus dem Norden. In einer abgelegenen Südstaatenvilla umgeben von Zypressenwäldern verharren ein paar Schülerinnen im Mädcheninternat von Miss Martha Farnsworth (Nicole Kidman). Als die Schülerin Amy (Oona Laurence) eines morgens auf der Pilzsuche den verwundeten Unionssoldaten John McBurney (Colin Farell) findet und mit ins Internat bringt, wird das fragile Gleichgewicht in der Mädchenschule durcheinander gebracht. Die drückende Anspannung des Bürgerkriegs und damit die ständige Gefahr von Gewalt hängen buchstäblich in der Luft. Dicke Nebelschwaden über dem moosverhangenen Zypressenwald sind denn auch das erste, was der Film uns zeigt. Und es bleibt unklar ob es sich nun um harmlosen Nebel, oder nicht doch um Rauchwolken von den nahen Bürgerkriegsschlachten handelt. Das Donnern der Kanonengeschosse aus der Ferne verstärkt diese Spannung zusätzlich, und erinnert ständig daran, wie nahe der Krieg liegt. Doch die Gefahr lauert nicht nur ausserhalb der Schulmauern. Mit McBurney liegt die Gefahr plötzlich buchstäblich im eigenen Bett. In den für sie typischen pastellfarbenen Bildern erzählt Sofia Coppola Cullinans Southern Gothic-Geschichte von erotischer Spannung, Intrigen und unerwarteter Wendungen voller Suggestion und Oppulenz. Und beweist damit ihr Talent in ihren Filmen stimmungsvolle Bilder und bedeutungsträchtige Atmosphären zu schaffen.
Cullinans Romanstoff wurde bereits 1971 von Don Siegel mit Clint Eastwood als verwundeten Soldaten verfilmt. Doch während diese Version von «The Beguiled» die literarische Vorlage als misogyne Männerfantasie interpretierte, schafft Coppola mit ihrer Neuverfilmung ein nuanciertes Drama aus der weiblichen Perspektive. Anders als in Siegels Variante sind die Frauen und Mädchen in Coppolas «The Beguiled» nicht mannstolle, hysterische Weibsbilder mit Kastrationsgelüsten – hier verkörpern sie nuanciert gezeichnete, komplexe Frauenfiguren, die im Spiel der Manipulationen bewusst und gezielt ihre Hand einsetzen. Dabei sticht vor allem Nicole Kidmans Darbietung als bestimmte und selbstbewusste Internatsleiterin hervor. Sie scheint wie geschaffen für diese Rolle, und haucht der Figur – allen Botoxspritzen zum Trotz – eine Vielfalt von feinen Emotionen ein. Auch die Coppola-Veteraninnen Kirsten Dunst («The Virgin Suicides» 1999, «Marie Antoinette» 2006), als die gehemmte Lehrerin Edwina, und Elle Fanning («Somewhere» 2010), als frühreife Rebellin Alicia, liefern überzeugende Leistungen.
Kinostart Deutschschweiz: 29.6.2017
Bild- und Trailerquelle: Focus Features
Regie: Sofia Coppola / DarstellerInnen: Nicole Kidman, Kirsten Dunst, Elle Fanning, Colin Farell, Oona Laurence uvm.
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