Richard Linklater erzählt in «Where’d You Go, Bernadette» die Geschichte von Bernadette Fox, welche die Leidenschaft in ihrem Leben wiederfinden muss. Dafür begibt sie sich, zusammen mit dem Publikum, auf eine Reise, die zu spät beginnt und etwas flach und belanglos ausfällt.
In der Nähe von Seattle lebt Bernadette Fox (Cate Blanchett) zusammen mit ihrer Tochter Bee Branch (Emma Nelson) und ihrem Ehemann Elgie (Billy Crudup) in einer abgelegenen, sanierungsbedürftigen Villa. Bernadette ist eine Einzelgängerin, ausserhalb ihrer Familie kommuniziert sie auf freiwilliger Basis nur mit ihrer virtuellen Assistentin Manjula, die in Indien lebt und der sie per E-Mail persönliche Aufträge diktiert. Ihre Tochter Bee ist das pure Gegenteil: lebensfroh, positiv und entdeckungsfreudig. Kein Wunder also, sucht sich die Tochter als Destination für die nächsten Familienferien etwas Exotisches aus: die Antarktis.
Das Grundstück, auf dem das Trio mit seinem Hund haust, ist umgeben von wuchernden Brombeerbüschen, was ihrer Nachbarin Audrey (Kristen Wiig), einer peniblen Umweltschützerin, ein Dorn im Auge ist. Als Bernadette einwilligt, die Brombeerbüsche zu entfernen, löst dies nicht nur die Überflutung von Audreys Haus aus– sondern gleich eine ganze Kette von Umständen, die das Leben von Bernadette gehörig aus den geregelten Bahnen wirft.
«People like you must create. That’s what you were brought into this world to do, Bernadette. If you don’t, you become a menace to society.»
Bee erfährt infolgedessen, dass ihre Mutter einst eine erfolgreiche Architektin war, die ihr Leben und ihre erfolgreiche Karriere in Los Angeles aufgegeben hat, um den Träumen ihres Mannes gen Norden zu folgen. Zur Erkenntnis, dass ihr Leben auf eine Schiene geraten ist, die sie weder erfüllt noch glücklich macht, gelangt gleichzeitig auch Bernadette. So macht sie sich auf, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, ihren Wünschen zu folgen, und endet, alle Vorsicht in den Wind schlagend, in der Antarktis.
«Where’d You Go, Bernadette» ist nicht Richard Linklaters erster Film, der von einer Figur erzählt, deren Kreativität quer in einer von Regeln und Gesetzmässigkeiten geprägten Welt steht. Linklater versucht mit «Bernadette» zu erzählen, wie sie die Leidenschaft in ihrem Leben zurück erkämpft. Leider geschieht dies aber auf eine etwas banale Art und Weise, und dies erst in den letzten 30 Minuten des Films. Von dieser Kreativität, die er seinen Figuren so gerne andichtet, ist auf filmischer Ebene herzlich wenig zu spüren – ganz im Gegensatz zu Linklaters Meisterstück «Boyhood» (2014) etwa. Dem Filmtitel nach zu urteilen könnte man annehmen, dass dem Film auch eine gewisse Spannung eingeschrieben ist: Wo ist Bernadette hin? Wieso ist sie weggegangen? Dieser Aspekt des Films liegt brach, denn alle Antworten werden bereits geliefert, bevor die Frage überhaupt gestellt wird.
Eines der grössten Probleme des Films ist demnach struktureller Natur. Auf dem gleichnamigen Roman von Maria Semple basierend, der die Ereignisse aus der Sicht der Tochter mittels verschiedener Dokumente erzählt – E-Mails, Memos, Transkripte –, wurde ein loses Drama mit komödiantischen Elementen erzeugt, das nicht so genau weiss, was es eigentlich erzählt, vor allem aber wie es erzählt werden soll und wo die Hauptachse des Films steht. Dies führt zu einem grundsätzlich interessanten Konzept, das tonal und erzähltechnisch in einem eher belanglosen Wirrwarr endet. Die Geschichte plätschert vor sich hin und just an dem Punkt, an dem sich Bernadette als Figur weiterentwickelt und der Film ihr etwas Tiefe erlaubt, ist er schon zu Ende. Sowohl die Protagonistin als auch ihre MitstreiterInnen, allen voran die Nachbarin mit dem grünen Daumen, lernt man nie wirklich kennen und bleiben Stereotypen.
Dies ist insofern äusserst schade, weil wir von allen Beteiligten am Film Anderes – Besseres – gewohnt sind. Cate Blanchett hat zwei Oscars, Richard Linklater hat mit der «Before»-Trilogie und «Boyhood» ohnehin bereits Filmgeschichte geschrieben, Kristen Wiig war in «Bridesmaids» zum Schreien komisch – und Newcomerin Emma Nelson legt hier eine ansteckende positive Energie an den Tag. Schade, dass der Film von all diesem Talent keinerlei Gebrauch macht und nie über sich hinauswächst.
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Kinostart Deutschschweiz: 12.12.2019
Filmfakten: «Where’d You Go, Bernadette» / Regie: Richard Linklater / Mit: Cate Blanchett, Billy Crudup, Emma Nelson, Laurence Fishburne, Kristen Wiig / USA / 109 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Ascot Elite Entertainment
Richard Linklater hat schon etliche Male bewiesen, dass er Geschichten fesselnder erzählen kann, als er es mit Bernadettes praktisch inexistenter Odyssee tut.
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