Kaouther Ben Hanias neuer Film ist keine leichte Kost. Stellenweise unerträglich ist die Geschichte der vergewaltigten Studentin Mariam, die, auf sich allein gestellt, gegen übermächtige Behörden für ihr Recht kämpft. Die Geschichte wühlt auf, reisst mit und endet verhalten optimistisch. Ein eindringlicher Film.
Ganz unverfänglich fängt «La belle et la meute» an: Eine Studentendisco in Tunesien, eine Party, wie sie jeden Tag irgendwo auf der Welt stattfindet. Mariam (Mariam al Ferjani in ihrem fulminanten Langspielfilmdebüt) hat ein Auge auf Youssef (Ghanem Zrelli) geworfen, die beiden verlassen gemeinsam den Klub. Hier endet die erste der neun Plansequenzen, die diesen Film so authentisch und unmittelbar machen.
Was folgt, ist eine brillante Tortur. Regisseurin Kaouther Ben Hania zieht alle Register der Kunst, um den Spiessrutenlauf einer jungen Frau, die zu ihrem Recht kommen will, zu zeigen. Äusserst geschickt überspringt sie die eigentliche Tat, eine Vergewaltigung begangen durch drei Polizisten, und verfolgt Mariam bis zum nächsten Sonnenaufgang. Während anderthalb Stunden ist der Zuschauer ohne Unterbruch mit einem kaputten, korrupten System konfrontiert. Ob Spitäler oder Polizeiposten: Mariam erfährt entweder Gleichgültigkeit oder offene Feindseligkeit.
Vom Opfer zur verletzten Heldin
Die überforderte junge Frau ist zunächst auf Youssef angewiesen. Dieser steht ihr zwar zur Seite, lässt es dabei aber mehrmals am nötigen Feingefühl vermissen. Da er sein Temperament in der schwierigen Situation nicht unter Kontrolle hat, führt ihn die Polizei kurzerhand ab und liefert Mariam der Meute aus. Was folgt, ist brutal – physische und psychische Gewalt, einzig und allein, um ein paar feige Täter aus den eigenen Reihen zu schützen. Erst als sich Mariam bewusst wird, wie übermächtig ihre Gegner sind und wie wenig sie noch zu verlieren hat, fängt sie an, ihren Gegnern Paroli zu bieten. Als am nächsten Morgen die Sonne aufgeht, hat sie zwar vieles verloren – nicht aber ihre Würde. Ein äusserst packender Film, der einen nicht so schnell loslässt.
Kaouther Ben Hania legt erneut ein starkes Werk über den Sexismus in ihrer Heimat vor. Nach dem Mockumentary «Le challat de Tunis» schlägt sie diesmal düstere Töne an. Mariams Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit und rechnet einerseits mit einem in Tunesien immer noch stark verbreiteten Sexismus ab. Andrerseits ist «La belle et la meute» auch ein Zeichen davon, dass sich die Zeiten seit der Revolution verändert haben: Der Film konnte unzensiert ins Kino kommen und erhielt sogar staatliche Förderung. Zurzeit erfreut er sich in den tunesischen Kinos sehr grosser Beliebtheit. Es bleibt nur zu hoffen, dass es dieser bewegenden Geschichte hierzulande gleich ergeht.
«La belle et la meute» läuft ab 30. November in den Deutschschweizer Kinos.
Drehbuch und Regie: Kaouther Ben Hania / Mit: Mariam Al Ferjani, Ghanem Zrelli, Noomane Hamda, Mohamed Akkari,
Chedly Arfaoui, Anissa Daoud, Mourad Gharsalli
Trailer- und Bildquellen: Trigon Film
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