Kann man seine Identität verlieren? Ja, offensichtlich. Denn dies widerfährt Paul Dédalus (Mathieu Amalric) als er am Flughafen von Polizisten angehalten wird, da sie auf ein Duplikat seines Passes gestossen sind. Was mit einem formellen Identitätsvertausch beginnt, führt weiter in die verworrenen Jugenderinnerungen des Anthropologen, die ein Mosaik aus Lebensfreude, Liebe, Enttäuschung und Angst zeichnen.
Wie der Titel verrät, ist „Trois Souvenirs de ma Jeunesse“ in drei verschiedenen Episoden aus Dédalus‘ Leben gegliedert. Die frühesten Erinnerungen von Paul handeln von seiner verstörten Kindheit, die von seiner geisteskranken Mutter geprägt wurde. Weiter erinnert er sich an seine kurze Zeit in Russland. Aber vor allem wird der Film von seiner Erinnerung an seine Studienzeit und seiner ersten grossen -und womöglich einzigen- Liebe Esther dominiert.
Arnaud Desplechins neuer Film versteht sich als Prequel zu seinem Erfolg „Comment je me suis disputé…(ma vie sexuelle)“ von 1996, in dem ebenfalls der Protagonist Paul Dédalus (der junge Mathieu Amalric) im Mittelpunkt steht. Während die ersten zwei Episoden von „Trois Souvenirs de ma Jeunesse“ noch konventionell inszeniert werden und einen biographischen Stil an den Tag legen, taucht man in der dritten Episode komplett in die verworrenen Liebesbeziehungen von Dédalus ein. Seine grosse Liebe Esther taucht auf und verdreht ihm den Kopf. Und wie es scheint auch der Kamera. Die Beziehung der beiden wird durch abwechselnd nüchterner, verspielter und voyeuristischer Perspektive in ein Licht gerückt, das die Konflikte der jungen Liebe eindrücklich widerspiegelt. Spätestens als sich die narrative Situation sporadisch ändert, findet man sich als Zuschauer mitten in Dédalus‘ Identitätskrise wieder. Der Fokus des Films liegt somit klar auf dem Identitätstaumel des Protagonisten, was Konstruktion und Verlust einer Identität als elementares Thema des Films unterstreicht. Schlussendlich gipfelt „Trois Souvenirs de ma Jeunesse“ in die Frage: Inwiefern beeinflusst die Liebe die eigene Identität?
Regie: Arnaud Desplechin Mit: Mathieu Amalric, Quentin Dolmaire, Lou Roy-Lecollinet Kinostart: 05.05.2016
Bildquelle: http://www.xenixfilm.ch/
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