Das sind die 12 Lieblings-Musikvideos der Maximum Cinema Redaktion
Musikvideos haben in erster Linie einen Promotionszweck und dienen zur Verkaufsförderung von Musikstücken. Sekundär sind sie Kurzfilme, die Musikstücke filmisch umsetzten. Und nur ganz wenige sind filmische Kunst.
Wir von Maximum Cinema haben uns gefragt, welches unsere Favoriten dieser speziellen Art des Musik-Kurzfilms sind. Hier sind unsere 12 Lieblinge!
1. «All We Do» – Oh Wonder
Das britische Duo Oh Wonder ist bekannt für seine träumerischen Vibes. In ihrem Clip zu «All We Do» haben sie sieben Filmemacher dazu aufgefordert, einzufangen, was für sie «Menschlichkeit» bedeutet. Das Resultat ist eine achtminütige Filmcollage, die eben diese menschliche Diversität perfekt reflektiert. Feinfühlige Einstellungen von Menschen und Städten untermalen so Oh Wonders sanfte Töne. Ein wunderschöner Clip, der zum Nachdenken anregt. / Aline Schlunegger
2. «Weapon of Choice» – Fatboy Slim
Wie illustriert man die Qualitäten eines Big-Beat-Electronica-Tracks am besten? Man lässt jemanden dazu tanzen. Und wer könnte diese Rolle übernehmen? Warum nicht Schauspieler Christopher Walken, dessen Karriere mit einer Tanzausbildung begann? Solche oder ähnliche Gedanken werden sich Norman «Fatboy Slim» Cook und Indie-Regisseur Spike Jonze («Being John Malkovich», «Her») gemacht haben, als sie ihren Hit-Videoclip zu «Weapon of Choice» planten. Vier Minuten lang tanzt Walken völlig entfesselt – und physikalisch zunehmend unhaltbar – durch ein leeres Hotel und zementiert so seinen Status als Hollywood-Kultfigur. Das Video, das zu Recht zum Klassiker seines Mediums geworden ist, ist das reine Vergnügen – und den Klick immer und immer wieder wert. / Alan Mattli
3. «The Rain (Supa Dupa Fly)» – Missy Elliott
Missy Elliott ist eine unbestrittene Königin des Musikvideos. Die Videos zu ihren Songs wie «Get Ur Freak On», «Work It», Beep Me 911» oder «Pass That Dutch» haben durch die Jahre immer wieder die Grenzen des Genres gesprengt und neue Standards gesetzt. Mein Favorit ist aber ganz klar Missys erster Clip ihrer Karriere zum Song «The Rain (Supa Dupa Fly)», ihre erste Zusammenarbeit mit Musikvideo-Meister Hype Williams. Das Fischauge, die Cameos – P.Diddy, als er noch Puff Daddy hiess – und vor allen Dingen natürlich Missys fabelhaftes Puffer-Outfit: Dieses Musikvideo hat Missys unvergleichlich verrückte Coolness zementiert und ist für immer in die Musikgeschichte eingegangen. / Sabine von Rütte
4. «Hollywood Forever Cemetery Sings»– Noel Paul
Aubrey Plaza wacht mit blutiger Nase auf einer Strasse auf. Im Hintergrund singt Father John Misty dazu etwas entsetzt «Jesus Christ, girl». Ja, auch wir machen uns Sorgen um die junge Frau mit zerlaufenem Make Up. Wir erfahren langsam, was sich in der Nacht zuvor zugetragen hat. Es beginnt mit einer partyähnliche Beerdigung, bei der sie auf dem Tisch tanzt, mit einer Lampe rummacht, anderen die Kleider ruiniert und grundsätzlich ziemlich Radau macht. Von da geht’s auf den Friedhof, wo sie mit einer unbekannten Schönheit etwas macht, das man irgendwo zwischen Kampf und Sex definieren möchte. Es ist eine schräge und verstörende Nacht, die Aubrey Plaza in Father John Misty’s «Hollywood Forever Cemetery Sings» erlebt, visuell eindrücklich ist sie aber allemal. (Regie: Noel Paul / Erscheinungsjahr: 2012 / Album: Fear Fun / Künstler: Father John Misty) / Christine Albrecht
5. «Siriusmo» – Itchy / Cornerboy
Ein sonniger Tag in Köpenick, ein herrlich selbstironischer Lebemann mit blonden Indianerzöpfchen, der durch diesen hindurchtänzelt, und eine detailverliebte Kamera, die diese familiäre Milieuszenerie einfängt: In meinem derzeitigen Musikclip-Favorit zieht der Berliner Elektro-Produzent Siriusmo seine beiden Tracks «Itchy» und «Cornerboy» des im Jahr 2013 erschienen Album «Enthusiast» zusammen, unterlegt dies mit liebevoll fotografierten Aufnahmen des Ostberliner Alltags und generiert so ein in sich stimmiges Video mit Wohlfühleffekt und einer überraschenden Wendung – musikalisch sowie visuell. Der dazumal noch unbekannte Romano mimt in dem knapp fünfminütigen Clip einen Musikstar, der mit nonchalanter Coolness seine Beliebtheit an einem unaufgeregten Tag im Waschsalon, Nagelstudio und bei Kaffee und Kuchen mit seinen beiden Nachbars-Omis feiert. Dabei fällt der goldene Hahn im Korb so sehr auf, wie er mit der Normalo-Bevölkerung im gutdeutschen Kiez verschmilzt – denn er feiert nicht sich selbst, sondern die Köpenicker Gemeinschaft, in der der exzentrische «Cornerboy» einen festen Platz einnimmt. Die Kaffee und Kuchen-Treffs erinnern mich an Get Togethers meiner DDR-Familie und Romano sieht für mich wie die Ossi-Variante einer meiner Halbbrüder aus, auch wenn jedes andere menschliche Individuum meint, Romano sei der heimliche, superweirde aber auch supersympathische Sohn von Putin. Siriusmos luftballonig-leichte Elektromusik bis selbstzynischen Ghettorap-Tracks bilden mit dem sensiblen filmischen Identitäts-Porträt von Romano eine bodenständige Persiflage auf den vermeintlich prestigeträchtigen Musikstarstatus– reinstes Eye- und Earcandy für mich. Da kieckste, wa? / Lola Funk
6. «Smack My Bitch Up» – The Prodigy
Exzessiver Alkoholkonsum? Check. Drogenkonsum? Check. Prügeleien? Check. Kotze? Check. Sexszenen? Check. Wenn all das in einem viereinhalb minütigen Musicclip vorkommt, dann schaut ihr euch das Video zu «Smack My Bitch Up» der UK-Band The Prodigy an (Regie: Jonas Åkerlund). Als der Clip 1997 veröffentlicht wurde, sorgte er für Furore und wurde von MTV ins Nachtprogramm verbannt. Er zeigt einen wilden Streifzug durch Londons Nachtleben aus der POV-Perspektive, der selbst beim französischen Skandalregisseur Gaspar Noé einen Schwindelanfall erzeugen würde. Es lohnt sich, den Clip ganz zu schauen, denn gegen Ende gibt es einen Twist, der das vorher Gesehene auf den Kopf stellt. Ein Musikvideo, wie eine volle Ladung Strom aus einem Defibrillator! / Dario Pollice
7. «Its oh so quiet» – Björk
Björks Adaption des 1951er Songs «It’s Oh So Quiet» von Betty Hutton, ist nicht nur musikalisch eine wahre Freude. Kein geringerer als die preisgekrönte Film- und Musikvideo-Ikone Spike Jonze, kreierte diese sagenhafte Hommage an die Broadway Musicals der 1960er Jahre. Dieses Musikvideo präsentiert die visuelle Darstellung eines Songs par excellence, was nicht nur am Kontrast der Anfangssequenz und dem darauffolgenden Eintauchen in diese farbenfrohe Welt liegt. Der Wechsel zwischen den ruhigen Strophen und dem lauten, heiteren Refrain findet sich thematisch im Clip perfekt wieder. Ein wahrlich grandioses Choreografie-Meisterwerk, welches nun seit 24 Jahren begeistert. Also: Shh…. einfach hinreissen lassen. / Delfina Thon
8. «Let Forever Be»- The Chemical Brothers
Lange ist’s her mit den Musicclips. Damals, als man noch viel Kunst und Herzblut in dieses Medium investierte, ist man um die Verfilmung seines Lieblingssongs fast nicht drumherum gekommen. Wenn ich mich auf einen Favoriten beschränken soll, dann wähle ich «Let Forever Be» von The Chemical Brothers. An diesem Video hat mir die Verbindung von Bewegtbild und Musik sehr gefallen und dazu die einfallsreichen Einschnitte von Musicalnummern, was ich als sehr innovativ empfunden habe. Ausserdem habe ich mich sehr mit der jungen Frau im Video verbunden gefühlt, da sie nicht so richtig aus dem Bett kommt, was damals oft mein Problem war. Das Video empfand ich als sehr gelungen, weil es mein Gefühl, mich dazu bewegen zu wollen, sehr effektvoll umsetzte. Mir gefällt es sehr, wenn die Musik getanzt und dazu in passende Bilder umgesetzt wird. Ich weiss nicht mehr, ob ich damals wusste, dass die Stimme von Noel Gallagher von Oasis stammte, wahrscheinlich schon. Und auch dass das Video von Clip-Regisseur Michel Gondry stammt habe ich vergessen. Das Gondry aber damals als Musicvideo-Gott gehypt wurde, ist mir geblieben. Hat er doch viele Videos meiner liebsten Interpreten wie Björk oder Daft Punk usw. kreiert. Später wurde er auch mit Spielfilmen bekannt wie «Eternal Sunshine of the Spotless Mind» oder «The Green Hornet». Für «Let Forever Be» liess er sich von der Nummer «I Only Have Eyes for You» aus dem Musicalfilm «Dames» von 1934 inspirieren. Das Ganze hat etwas experimentelles und erinnert entfernt an «Ballet mécanique» aus dem Jahr 1924. / Franziska Merz
9. «Bitter Sweet Symphony» – The Verve
Richard Ashcroft war (neben Noel und Liam Gallaher von Oasis) die Verkörperungen des Britpop der 1990 er Jahre. Er war unser Elvis, unser «Grease»-John-Travolta und unser Woodstock-Jimi-Hendrix. Er war die Verkörperung einer eher musik-stilistischen Bewegung, die sich vor allem in Frisur und Attitüde wiedergab. Und «Bitter Sweet Symphony» ist einfach das geilste Musikvideo dieser Rückbesinnung auf gitarrenlastige Rockmusik, die die 90er Musik-Ära überhaupt erst erträglich machten. Niemand war so cool wie Richard-Ashcroft-ich-lauf-jetzt-Mal-die-Strasse-entlang-und-kick-alle-weg-die-mir-in-den-Weg-kommen-cool und das hatte schon einen enormen Eindruck. Klar wars ne dämliche Botschaft, aber hej, wir waren jung und dumm und das war gut so. Denn wir hatten unsere Lederjacken an, unsere CD-Player laut und liefen selber diese Strassen entlang wie Richard – nur hiessen unsere Strassen Häldeliweg und dem Hausabwart Hugentobler sind wir doch dann immer ausgewichen. Diesem bloody Bastard! / Simon A. Keller
10. «Devils Haircut» – Beck
Beck, diese seltsame Erscheinung, vermischte in den 90ern Folk und Country mit Rock, Turntables und ironischen Texten. Auch dieses Video lehnt sich an verschiedenste Filme und Genres an: er referenziert an «Midnight Cowboy» und «Les 400 Coups» und integriert dabei Modeshooting, Hip-Hop und Western-Romantik. Diese Collage war 1996 ziemlich cool – und ist es immer noch. / Simon Kümin
11. «Baby Mine» – Betty Noyes
Es heulte in der Vergangenheit, es heult in der Gegenwart und es wird auch noch in Zukunft heulen: «Baby Mine» aus Disneys Zeichentrickfilm-Klassiker «Dumbo» von 1941 markiert den wohl traurigsten Disney-Moment und lässt die Tränendrüsen zu Höchstform auflaufen. 1942 war «Baby Mine» in der Kategorie «Bester Song» für einen Oscar nominiert, gewann ihn jedoch nicht. Das von Frank Churchill komponierte Lied erfuhr jedoch grosse Beliebtheit und wurde seither unzählige Male gecovert: Unter anderem von Jazz-Musiker Glenn Miller, Schauspielerin Bette Midler, den Beach Boys sowie für die aktuelle Tim Burton-Neuverfilmung von Sharon Rooney, Arcade Fire und Aurora. Ausserdem erhielt der Song auf der Liste «100 Years… 100 Songs» des American Film Institute (AFI) seinen Ehrenplatz. / Catherine Seraphim
12. «Mich zu lieben» – Rockhaus
Lieblingsmusikvideo? Das ist eine schwere Frage, bin ich zu einer Zeit und an einem Ort aufgewachsen, wo MTV für mich unerreichbar war. Und als ich dann die Möglichkeit gehabt hätte, mich von Musikvideos nonstop berieseln zu lassen, hat mich dieses Medium nicht mehr interessiert, da meine Musik dort nicht mehr oder gar nicht erst lief. Ja, ich bin ein Kind der 80er, des Punks und der DDR. Natürlich hat man versucht, im Osten auch Musikvideos für die Jugend zu drehen und in Funk und Fernsehen auszustrahlen. Leider sind viele davon heute nicht mehr zugänglich, weil nicht digitalisiert oder gar verschollen. Aus all denen, die es noch gibt, möchte ich ein mutiges Video herauspicken: ROCKHAUS – «Mich zu lieben». Ein Lied, welches die Missstände der Jugend damals ansprach und dabei heute nichts von seiner Aktualität verloren hat. Und es ist ein Video, welches einen kleinen visuellen Einblick in das Leben und die Realität von damals gibt. / Olaf Kah
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