Eine Entführung führt zur Aufdeckung längst vergangener Skandale. Asghar Farhadis Eröffnungsfilm des diesjährigen Cannes Filmfestivals brilliert mit Fingerspitzengefühl für spannende Charaktere und erstklassigem Schauspiel.
Laura (Penélope Cruz) kommt zur Hochzeitsfeier ihrer Schwester in ihr kleines spanisches Heimatdorf zurück. Die Freude am Wiedersehen ist gross, kennt sich in diesem verschlafenen Städtchen doch jeder beim Vornamen und ist stets über den neuesten Tratsch informiert. Das feuchtfröhliche Hochzeitsfest nimmt seinen Lauf und die Festgesellschaft lässt sich die Feierlaune auch nicht durch kleine Zwischenfälle, wie einen Stromausfall, verderben. Doch als Laura plötzlich bemerkt, dass ihre Tochter Irene (Carla Campra) verschwunden ist, findet die Feier ein abruptes Ende. Nachdem die Jugendliche auch am nächsten Tag nicht auftaucht, trifft von den Entführern eine Lösegeldforderung ein. Laura beginnt eine nervenaufreibende Suche mithilfe ihres Ex-Geliebten Paco (Javier Bardem). Die Entführung führt zu einem Rattenschwanz von Verdächtigen. Wer in diesem kleinen, scheinbar arkadischem Dorf soll schon eine solche Tat vollbringen und vor allem aus welchen Gründen? Es werden die ausländischen Arbeitsaushilfen verdächtigt, die versoffenen Bargänger und nicht zuletzt auch Lauras Ehemann Alejandro (Ricardo Darín), der sie bei diesem Besuch merkwürdigerweise nicht begleitete und in Argentinien blieb.
«Aber für dein eigenes Kind würdest du es tun»
Farhadis neuester Film ist viel weniger ein Thriller als ein feine Charakterstudie seiner Figuren und deren Beziehungen untereinander. Der Plot, der an gewissen Stellen an Denis Villeneuves «Prisoners» erinnert, wird dabei schon fast in den Hintergrund gedrängt. Wie eine Spinne webt der iranische Regisseur ein Netz aus Lügen, Enttäuschung, Missverständnisse und vergangener Liebe. Dabei lässt er seinen Figuren viel Raum zur Entfaltung, was teilweise leider auch zu Längen führt und dem Film viel Spannung raubt. Mit den zwei Ausnahmetalenten Cruz und Bardem lässt sich das aber mehr oder weniger gut überbrücken. Besonders berührend ist die einfühlsam, beobachtende Kameraführung des berühmten spanischen Kameramanns José Luis Alcaine («Volver», «La piel que habito»). Diese entführt die Zuschauer schon fast auf hypnotische Weise in die Tiefen des ländlichen Spaniens und vor allem der menschlichen Abgründe.
«Everybody Knows» ist ein delikates Werk über menschliche Beziehungen und moralische Dilemmas, gespickt mit einem betörendem spanischem Touch – nicht verpassen.
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Kinostart Deutschschweiz: 15.11.2018
Filmfakten: «Everybody Knows» / Regie: Asghar Farhadi/ Mit: Penélope Cruz, Javier Bardem, Ricardo Darín / Spanien, Frankreich, Italien / 142 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Frenetics Filmdistribution GmBH
Ein delikates Werk über menschliche Beziehungen und moralische Dilemmas, gespickt mit einem betörendem spanischem Touch – nicht verpassen.
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