Allzu tief mag Lenny Abrahamsons Verfilmung von Emma Donoghues Bestseller „Room“ nicht gehen. Doch das gleichnamige Drama, für das die erst 26-jährige Brie Larson im Februar mit dem Hauptdarstellerinnen-Oscar ausgezeichnet wurde, erzählt dennoch eine berührende – und überraschend leicht verdauliche – Mutter-Sohn-Geschichte.
Wer Donoghues Roman kennt, weiss, dass Abrahamson hier schwere Kost adaptiert: „Room“ handelt von Joy (Larson), einer jungen Frau, die als Teenager von einem Mann (Sean Bridgers) entführt wurde und seither eingesperrt in dessen Gartenschuppen lebt. Den kleinen Raum teilt sie sich mit ihrem inzwischen fünfjährigen Sohn Jack (Jacob Tremblay) – das biologische Kind ihres Entführers –, den sie zum Glauben erzogen hat, der Schuppen sei die einzige real existierende Welt.
Doch Abrahamson hat sich nicht umsonst einen Namen dafür gemacht, heikle Themen mit einer anregenden Balance zwischen Ernsthaftigkeit, Gefühl und menschlichem Humor zu bearbeiten: In „Adam & Paul“ (2004) begleitet das Publikum zwei Drogenabhängige auf einer absurden Odyssee durch Dublin. „Garage“ (2007) ist ein zärtliches Porträt eines lernschwachen Tankstellenangestellten. Und in „Frank“ (2014) vermischt Abrahamson Roadmovie-Elemente mit einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit Entfremdung und Depression.
Obwohl „Room“, zusammen mit „What Richard Did“ (2012), der bislang wahrscheinlich „düsterste“ Film des irischen Regisseurs ist, geht auch dieser kaum je über die Schmerzgrenze hinaus. Drehbuch – verfasst von Donoghue selber – und Inszenierung halten sich gerade in den schwierigsten Momenten an den Kniff der Buchvorlage, den Horror von Joys und Jacks Einkerkerung aus der unschuldig-kindlichen Perspektive Jacks zu erzählen. Wenn „Old Nick“, wie sie ihren Entführer nennen, Joy abends vergewaltigt, bleibt die Kamera in Jacks Schrank-Séparée, was dem Publikum zumindest den Anblick des menschlichen Horrors erspart.
Das ist aber weniger Verschleierungstaktik als eine konsequente Weiterführung dessen, worauf der Film letztlich hin zielt. Analog zu Joys Entscheidung, Jack das Ausmass ihres Leids vorzuenthalten, wird hier eine Geschichte darüber vorgetragen, wie man sich trotz allen Übels in der Welt die Freude am Leben erhalten kann. Das demonstrieren Abrahamson und Donoghue – trotz einiger Drehbuchschwächen – besonders in der zweiten Hälfte von „Room“, als Joy und Jack die Flucht gelingt und Letzterer mit Hilfe von Joys Mutter (Joan Allen) und Stiefvater (Tom McCamus) die Freiheit zu entdecken beginnt.
„Room“ ist der kalkulierte Publikumsliebling zwar anzusehen, doch was Abrahamson daraus macht – auch dank herausragender Darbietungen von Brie Larson und Jacob Tremblay –, ist ein starkes Drama mit einem Flair für kleine Momente und leise Zwischentöne.
Seit dem 17. März in den Deutschschweizer Kinos.
Bildquelle: Ascot Elite Entertainment Group
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