«Roxanne, Roxanne» ist sowohl Biografie der Ausnahmekünstlerin Roxanne Shanté als auch Dokumentation einer Gemeinschaft, die sonst nur selten so vielschichtig porträtiert wird. Michael Larnells Film betrachtet Themen wie Familie, Musik und Selbstbestimmung aus einem Blickwinkel abseits des Mainstreams, der auch rapfremden Neugierigen Unterhaltung und nachdenkliche Kost bietet. Der Film wurde von Pharrell Williams und Forest Whitaker produziert, Rapper RZA komponierte die Filmmusik und Chanté Adams sowie Mahershala Ali («Moonlight») spielen in den Hauptrollen.
Während in Europa Ende der 70er-Jahre ABBA und Village People die Charts stürmen, wird in Queensbridge, New York, eine Rapkönigin gross. Noch bevor sie das Teenageralter erreicht, scheut sich Shanté (Chanté Adams) nicht, erwachsene Männer in Grund und Boden zu rappen. Ihr Talent und ihre Unverfrorenheit bescheren ihr einen Ruf, der sie zur begehrten Battle-Partnerin macht. Die Gemeinschaft, in der Shanté aufwächst, feuert sie zwar an, legt ihr aber auch aufgrund eingefahrener Dysfunktionalitäten Steine in den Weg. Selbst als sie über Nacht mit ihrer Antwort auf UTFOs «Roxanne, Roxanne» zum Radiohit wird, ist Shantés Kampf um ein selbstbestimmtes Leben erst ganz am Anfang.
«Champ is here!»: Roxanne Shanté als Wegbereiterin für Frauen im Rapbusiness
Obwohl «Roxanne, Roxanne» auf den ersten Blick anmutet wie eine afroamerikanische Version von «8 Mile», präsentiert sich die Geschichte durch die Augen der Protagonistin als eine ganz andere. Die kindlich anmutende Freude und Naivität von Shanté, die genau um diese Kindheit betrogen wurde, gibt dem Film von Michael Larnell einen deutlich sympathischeren Anstrich als die Version mit Eminem. Die talentierte Teenagerin mit der Spange weckt auch Erinnerungen an die eigene Jugend. «Roxanne, Roxanne» schafft es so, auch zu einem Publikum Nähe zu schaffen, das in einer ganz anderen Welt aufgewachsen ist. Besonders die hervorragend geschnittene Szene in der Shanté innerhalb weniger Sekunden vom Mädchen zur Frau zur Mutter wird, zerreisst einem fast das Herz. Dass Larnell, der auch das Drehbuch verfasst hat, solche Szenen einfängt, ohne zu beschönigen oder übermässig zu dramatisieren, ist ihm hoch anzurechnen.

Shanté in ihrem Element. Auf der Bühne macht ihr niemand so schnell etwas vor.
Im Mittelpunkt von «Roxanne, Roxanne» stehen die Figuren und ihre Beziehungen zueinander. Die Rolle der Familie ist ein zentrales Motiv, das sich durch den ganzen Film zieht. Dabei geht es meist nicht um Blutsverwandtschaft, sondern um den Zusammenhalt, oder das Fehlen davon, in einer Umgebung, in der die Patchworkfamilie der Standard ist. Der Mikrokosmos des Viertels wird mittels einer durchaus differenzierten Innenansicht porträtiert, die nicht zu erklären versucht, sondern in erster Linie einfach zeigt, wie gelebt wird. Dazu gehört, dass es in Queensbridge keine Vorgärten gibt, in denen man mit Rasenmähen ein Taschengeld verdienen kann und deshalb andere Aktivitäten weit verbreitet sind. Netflix präsentiert sich hier wieder einmal als Plattform für eine Kultur, die in dieser Selbstverständlichkeit nach wie vor keinen festen Platz im US-amerikanischen Mainstream gefunden hat.
Auf Netflix erhältlich seit dem 26. März 2018 / Regie: Michael Larnell / Mit: Chanté Adams, Mahershala Ali, Nia Long, Elvis Nolasco, Kevin Phillips, Shenell Edmonds
Bild- und Trailerquelle: Netflix.
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