Im Februar 2013 wurde Benedikt XVI. zum ersten Papst seit dem 13. Jahrhundert, der freiwillig zurücktrat. Beerbt wurde der konservative Deutsche vom liberaleren, in seinem Heimatland aber umstrittenen Argentinier Jorge Mario Bergoglio, seither bekannt als Franziskus. Die persönliche und ideologische Reibung zwischen den beiden Kirchenvätern hat Anthony McCarten zu einem Theaterstück inspiriert, das Fernando Meirelles in «The Two Popes» als Buddy-Drama verfilmt.
Man könnte sich fragen, warum es nicht mehr Filme und Fernsehserien über reale Begebenheiten rund um den katholischen Gottesstaat im Herzen Roms gibt. Werke wie «Angels & Demons» (2009), «Habemus Papam» (2011), «The Young Pope» (2016) oder «The New Pope» (2020) in Ehren – aber wo ist das politische Drama über das Zweite Vatikanische Konzil oder der Thriller über eine der diversen Verschwörungstheorien, die sich um den plötzlichen Tod von Papst Johannes Paul I. ranken? Die Antwort ist aber ziemlich simpel: Die Wände des Vatikans sind dick, die Lippen seiner Offiziellen in aller Regel versiegelt, und er verfügt über die wohl aggressivsten Anwälte diesseits von Disney und Scientology.
Entsprechend sollte man auch «The Two Popes» – der Ausnahme in Sachen zeitgenössischem Vatikan-Kino – nicht mit dem Anspruch begegnen, eine historisch akkurate Aufarbeitung des bislang letzten Papstwechsels vorgesetzt zu bekommen. Der mehrfach oscarnominierte Autor Anthony McCarten («The Theory of Everything», «Darkest Hour») sagte von seinem Bühnenstück «The Pope» (2019), das er eigenhändig zu einem Drehbuch verarbeitete, selber, dass vieles davon auf Spekulation und der fantasievollen Auslegung der bekannten Fakten basiere.
«‹The Two Popes› funktioniert gerade dann, wenn McCarten seine beiden Hauptfiguren buchstäblich über Gott und die Welt – und auch die zahllosen vatikanischen Skandale – philosophieren lässt.»

Jonathan Price als späterer Papst Franziskus
Das tut dem Reiz des Films aber keinen Abbruch. «The Two Popes» funktioniert gerade dann, wenn McCarten seine beiden Hauptfiguren buchstäblich über Gott und die Welt – und auch die zahllosen vatikanischen Skandale – philosophieren lässt. Jonathan Pryce – abgesehen davon, dass er Franziskus wie aus dem Gesicht geschnitten ist – glänzt als sympathisch hemdsärmeliger Jesuit, dem, wie wohl auch den meisten Zuschauer*innen, der vatikanische Pomp sichtlich nicht geheuer ist. Seine Sanftmut und sein seliges Lächeln, das nicht selten an jenes von Stan Laurel erinnert, prallen auf einen Benedikt XVI., den Anthony Hopkins als faszinierend widersprüchlichen Grantler interpretiert. Er mag sich mit der Inbrunst eines Gottesmannes, der das Gewicht von 2’000 Jahren Tradition hinter sich spürt, gegen die liberale Theologie ereifern – wirkt in anderen Momenten aber fast wie ein eingeschüchtertes Kind, das Popkultur-Referenzen verstehen und Bergoglio für «Kommissar Rex» begeistern will.
Zwei ungleiche Päpste
Wann immer jedoch der Plot Überhand nimmt, macht sich bemerkbar, dass «The Two Popes» keine Meisterleistung der rhythmischen Inszenierung ist. Schon in den Dialogszenen irritieren Regisseur Fernando Meirelles («City of God», «The Constant Gardener») und Kameramann César Charlonne mit einer hektischen Kameraführung, die den besonnenen Gesprächen der beiden alten Herren den Look eines Actionthrillers von Paul Greengrass verleiht. Wie sich herausstellt, ist dieser stilistische Fehlgriff ein Vorbote der ungelenken Rückblenden in Bergoglios Vergangenheit im diktatorischen Argentinien, denen mit zunehmender Filmdauer immer mehr Platz eingeräumt wird.
So muss sich der amüsante, theologisch und kirchenhistorisch anregende, mitunter sogar berührende Blick auf eine ungewöhnliche päpstliche Zwangsheirat das Scheinwerferlicht mit einem bruchstückhaften Franziskus-Biopic teilen, das sich auf der Bühne wohl besser ins Gesamtkonzept integrieren lässt. Damit ist der Film der zwei ungleichen Päpste ein Werk mit zwei ungleichen Teilen: Einer zeichnet sich durch ungeschickte, aber letztlich sympathische Leichtfüssigkeit aus; der andere wirkt knorrig, steif und altbacken. Ein Schelm, wer das als Metapher liest.
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Auf Netflix Schweiz
Filmfakten: «The Two Popes» / Regie: Fernando Meirelles / Mit: Jonathan Pryce, Anthony Hopkins / Grossbritannien, USA, Italien / 125 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix
Es ist eine Freude, Jonathan Pryce und Anthony Hopkins beim verbalen päpstlichen Schlagabtausch zuzusehen. Entsprechend ist der Plot, der sie am Diskutieren hindert, kein gern gesehener Gast.
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