Eine Tasche mit einer Million Yuan sorgt für Unruhe in einer chinesischen Grossstadt: Ein junger Kurier will sich mit dem Inhalt einen Traum erfüllen, muss sich jedoch zuerst einige schmierige Gestalten vom Hals schaffen. Und dann wäre da noch der Mafiaboss, dem sie eigentlich gehört, und der sie um jeden Preis wieder zurückhaben möchte. «Have a Nice Day» von Liu Jian ist ein verworrener und rasanter Thriller, der nicht zufällig an die frühen Tarantino-Filme erinnert.
Über das Autoradio quäkt die Stimme von Donald Trump, der gerade seinen Wahlsieg feiert. Der Fahrer schnalzt verächtlich und dreht das Radio runter. Es sind solche kurzen, subtilen Augenblicke, in denen der chinesische Regisseur Liu Jian in «Have a Nice Day» kritische Töne anschlägt, doch man muss sie selber deuten. So ist die Tasche im Film eben nicht nur eine Tasche, und erst recht kein MacGuffin, sondern eine Metapher für die unerreichbaren Wünsche und Sehnsüchte der Figuren, die alle hoffen, mit dem Geld dem tristen Alltag in dieser chinesischen Stadt entfliehen zu können. Es liegt in der Natur der daraus folgenden Hetzjagd, dass einige dieser Wünsche auf der Strecke bleiben.
Dass die chinesische Regierung an einem solch aufrührerischen Werk wenig Freude hat, überrascht nicht. Und so sorgte «Have a Nice Day» diesen Sommer am Animationsfestival in Annecy für einen Eklat, als die Festivalleitung den Film kurzerhand und auf Drängen der chinesischen Behörden aus dem Programm strich. Der dadurch in die Ecke gedrängte Produzent wiederum soll seinem Film bei einem sonderbaren Auftritt am diesjährigen Fantoche jegliche politischen Untertöne abgesprochen haben und der chinesischen Regierung sogar für die tatkräftige Unterstützung gedankt haben. Überzeugt haben dürfte er damit zwar niemanden, aber wirklich verübeln kann man ihm diesen Versuch der Schadensbegrenzung auch nicht.
Ein Neo-Noir-Thriller à la Tarantino
Und sicher, man kann «Have a Nice Day» auch komplett unpolitisch deuten, wenn man an den richtigen Stellen wegschaut. Der mit 77 Minuten überraschend konzise Film ist ein düsterer Neo-Noir-Thriller über eine Handvoll Aussenseiter, der von der ersten Einstellung den Vergleich zu «Pulp Fiction» und Tarantino sucht. Liu Jian drückt dem Zuschauer diesen Vergleich aufs Auge, was über weite Strecken etwas verbissen wirkt. Und natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis Liu Jian auch noch den tarantinotypischen «Trunk Shot» zitiert.
Zum Glück kann «Have a Nice Day» auch so genug, um vom tarantinogeilen Attention-Whoring seines Regisseurs keinen Schaden zu nehmen. Die verworrene (und hie und da auch verwirrende) Geschichte zieht einen vom ersten Augenblick an in den Bann. Wer sich von dem komplexen Gestrick und den vielen Figuren nicht abschrecken lässt, kommt in den Genuss eines packenden Thrillers, der dank überraschenden Wendungen bis zum Schluss spannend bleibt. Mit seinen düsteren und nüchternen Bildwelten und dem fetten Soundtrack von The Shanghai Restoration Project ist dieser ökonomisch produzierte Trickfilm auch ein Fest für die Sinne.
Kinostart: 14. Dezember / Regie: Liu Jian / Mit: Yang Siming, Cao Kou, Ma Xiaofeng, Zhu Changlong, Cao Kai, Zheng Yi
Trailer- und Bildquellen: Outside the Box
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