Die amerikanische Grossproduktion «The Woman King» bereitet die Geschichte der westafrikanischen Frauenkampftruppe Agojie für ein Blockbuster-Publikum auf. Das actionreiche Drama von Gina Prince-Bythewood findet nicht immer den richtigen Ton, kann aber mit einem soliden Cast und eindrücklichen Bildern überzeugen.
Anfangs des 19. Jahrhunderts regiert der junge König Gezo (John Boyega) das Königreich Dahomey im heutigen Benin. Für die Verteidigung seines Reichs zuständig sind die Agojie, eine Amazonen-Truppe unter der Führung der Kämpferin Nanisca (Viola Davis). Während sich der Konflikt zwischen Dahomey und dem benachbarten, von Sklavenhändlern unterstützten Oyo-Reich verschärft, versucht die junge Nawi (Thuso Mbedu) ihren Platz in den Reihen der Agojie zu finden. Basierend auf der wahren Geschichte des Dahomey-Reiches und der Agojie bringt «The Woman King» als erster Film von diesem Format einen Teil der westafrikanischen Geschichte ins Kino – der Blockbuster von Gina Prince-Bythewood («The Old Guard») ist mit seinem Budget von 50 Millionen ein ambitioniertes Werk, das ein breites Publikum erreichen will.
Und so überrascht es auch nicht, dass der Film letztlich sehr konventionell erzählt ist, und sich an einem Klischee moderner Blockbuster nach dem anderen abarbeitet. Gerade der Aufstieg der Rekrutin Nawi wird nach allen Regeln der Hollywood-Kunst geschildert – wenn diese mehrfach die Regeln der Agojie missachtet, weil sie sich für etwas Besseres hält, oder ihr der schöne Fremde aus Brasilien den Kopf verdreht, wähnt man sich ganz unverhofft in einem Disney-Film.
Wobei: So unpassend ist das gar nicht. Gewissermassen ist es nämlich Disney und seiner Superheldenmaschine Marvel zu verdanken, dass dieser Film überhaupt existiert: Der Erfolg von «Black Panther» (2018), in dem eine fiktivie, den Agojie nachempfundene Kriegerinnen-Miliz eine zentrale Rolle spielt, überzeugte die Geldgeber*innen in Hollywood schliesslich davon, dass ein Actionfilm über eine vergangene afrikanische Zivilisation durchaus Potential bergen könnte.
Zuvor taten sich die beiden Produzentinnen des Stoffes, Schauspielerin Maria Bello («A History of Violence») und Cathy Schulman («Crash») schwer damit, Studios zu finden, die bereit waren, «The Woman King» in dieser Form zu erzählen. Entweder sollen sie zu wenig Geld geboten haben um die Vision der beiden Frauen würdig inszenieren zu können, oder sie forderten Zugeständnisse an das Publikum – wie bekanntere Schauspieler*innen mit hellerer Hautfarbe. Es brauchte offenbar erst den gigantischen Erfolg des Marvel-Superheldenblockbusters um die Studios zu überzeugen, sodass das Projekt mit Viola Davis («Ma Rainey’s Black Bottom») in der Hauptrolle und Gina Prince-Bythewood auf dem Regiestuhl schliesslich doch noch ins Rollen kam.
«‹The Woman King› ist immer dann am Besten, wenn er die Einzigartigkeit seiner Vorlage anerkennt und herausstreicht – und stets dann am Schwächsten, wenn er das Gefühl hat, sich in einen Blockbuster-Kanon einreihen zu müssen.»
Und auch wenn es vor diesem Hintergrund verständlich ist, hätte es der Geschichte sicher gut getan, wenn sich Drehbuchautorin Dana Stevens («Fatherhood») weniger Gedanken darum gemacht hätte, dass der Film ein möglichst breites Publikum ansprechen muss. «The Woman King» ist immer dann am Besten, wenn er die Einzigartigkeit seiner Vorlage anerkennt und herausstreicht – und stets dann am Schwächsten, wenn er das Gefühl hat, sich in einen Blockbuster-Kanon einreihen zu müssen.
Die teilweise Anbiederung an Blockbuster-Konventionen tut der Erzählung nicht nur nicht gut, sie konkurrenziert auch immer wieder unglücklich mit den schwereren Themen des Films, der sich auch nicht zu schade ist, über Sklaverei, Rassismus, Femizid und Vergewaltigung zu reden. Prince-Bythewood bemüht sich zwar – wohl, um ein konservativeres Publikum nicht allzu sehr zu vergraulen –, ihren Film nicht allzu deutlich als Metapher für die feministischen Freiheitskämpfe und den Rassismus der Gegenwart verstanden zu haben. Und dennoch es ist eine Lesart, die einem im Film zumindest nahegelegt wird – spätestens mit der eindrücklichen Mid-Credits-Szene, die sehr deutlich den Bogen zur Gegenwart schlägt.
Was den Film darüberhinaus so faszinierend macht, ist wie effektiv Prince-Bythewood den Blick auf eine Geschichte wirft, die in dieser Form noch nie inszeniert wurde. Während sich Hollywood am zeitgleichen Beginn der Moderne in Europa und den dazugehörigen, zahlreichen Revolutionen kaum satterzählen kann, fehlen die Geschichten aus anderen Kulturen bislang. Wann immer «The Woman King» uns nach Dahomey entführen kann, und uns etwas zeigen kann, dem wir uns bislang entzogen hatten, funktioniert der Film. Das gilt auch für die spektakulären Landschaftsaufnahmen und die detaillierten Sets und liebevollen Kostüme, die diesen Film auch visuell zu einem Spektakel machen – mehr noch, als die zahlreichen Action-Sequenzen, die mit der Zeit in ihrer Inszenierung ein wenig repetitiv werden.
Zum Glück hat «The Woman King» für die Themen, die er anspricht auch das schauspielerische Kaliber: Allen voran die Oscarpreisträgerin Viola Davis, die in der Rolle der starken, wenn auch nicht unerschütterlichen Matriarchin Nanisca einmal mehr ihre ganze Klasse zeigt. Aber auch ihr Gegenüber, Thuso Mbedu («The Underground Railroad»), kann in ihrem Filmdebüt überzeugen und empfiehlt sich sehr deutlich für grössere Rollen. Das wirkliche Highlight des Films ist aber Lashana Lynch («No Time to Die»), die als Ausbildnerin Izogie eine eindrückliche Darbietung voller Witz und Charme, aber auch Tiefgang abliefert.
«The Woman King» bewegt sich erzählerisch immer wieder auf sehr konventionellen Pfaden, was angesichts des Innovationsgeistes und der wichtigen gesellschaftspolitischen Themen, die in dieser Produktion schlummern, bedauernswert ist. Es ist der soliden Regieführung von Gina Prince-Bythewood, sowie dem überzeugenden Cast und beeindruckenden Bildern und Kostümen zu verdanken, dass dieser historische Blockbuster dennoch zu überzeugen vermag.
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Kinostart Deutschschweiz: 6. Oktober 2022
Filmfakten: «The Woman King» / Regie: Gina Prince-Bythewood / Mit: Viola Davis, Thuso Mbedu, Lashana Lynch, Sheila Atim, John Boyega / USA / 135 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH
«The Woman King» ist ein unterhaltsamer, wenn auch sehr konventionell inszenierter Blockbuster, der vor allem dann punktet, wenn er seine eigene Einzigartigkeit anerkennt.
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