Vor etwas mehr als drei Wochen feierte die lang erwartete dritte Staffel der Kult-Serie «True Detective» in den USA Premiere. Findet sie nach den vernichtenden Kritiken der letzten Staffel zu ihrem alten Glanz zurück?
Zwei Polizisten, der eine schwarz der andere weiss, lungern abends auf einem Schrottplatz herum und schlagen mit Bier und Zigaretten die verbleibende Zeit ihres Dienstes tot. Schliesslich entscheiden sie sich, eine Runde mit ihrem Wagen zu drehen; vielleicht findet sich ja ein armer Trottel, den sie verprügeln können. Plötzlich knistert der Polizeifunk und meldet zwei vermisste Personen. «Fast hätten wir eine saubere Nacht gehabt», seufzt der eine Polizist. Noch ahnen sie nicht, dass dies der Anfang eines mysteriösen Falls ist, der die beiden Ermittler fast vierzig Jahre später noch heimsuchen wird.
Mit dieser Szene führt die Krimiserie «True Detective» seine Zuschauer an die Geschichte der dritten Staffel heran. Fast vier Jahre mussten die Fans darauf warten – eine lange Wartezeit. Es schien, als ob der Sender HBO und Showrunner Nic Pizzolatto signalisieren wollten: «Dieses Mal nehmen wir uns Zeit und begehen nicht dieselben Fehler der letzten Staffel.»
Wie «True Detective» unsere Herzen eroberte
Wir erinnern uns zurück: 2014 erschien die erste Staffel von «True Detective» auf unseren Bildschirmen und entfachte bei Fans und Kritiker gleichermassen ein Feuerwerk der Begeisterung. Die Serie hebe «das Krimi-Genre auf eine neue Ebene», lobte Die Zeit damals. Wie war diese enthusiastische Aufnahme zu erklären?
Zum einen fesselte die Serie mit ihrem komplexen Aufbau über zwei Zeitebenen. Die eine spielte im Jahr 1995, als zwei Cops einen mysteriösen Ritualmord untersuchen. Die andere spielte 2012, als ein ähnlicher Mord siebzehn Jahre später auftaucht und die bisherigen Ermittlungen der Cops in Frage stellt. Dabei entstand die eigentliche Spannung durch die Frage, was in der siebzehnjährigen Zeitspanne genau geschehen ist.

Ein fantastisches Gespann: Matthew McConaughey (links) und Woody Harrelson (rechts) in der ersten Staffel.
Zum anderen führte Cary Joji Fukunaga bei allen acht Episoden Regie und kreierte einen einheitlichen Look über die ganze Staffel hinweg. Und was für ein Look das war: der Regisseur fing meisterhaft die verrottete Sumpflandschaft Louisianas ein, so dass sie die düstere Atmosphäre der Serie mitprägte. Ganz nebenbei zeigte er seine Brillanz mit einer virtuos gefilmten Actionsequenz, die sechs Minuten ohne sichtbaren Schnitt auskam.
Zu guter Letzt war das gegensätzliche Ermittlerduo mit den Schauspielern Matthew McConaughey und Woody Harrelson perfekt besetzt. Vor allem McConaughey begeisterte in der Rolle des nihilistischen Rust Cohle, der Sätze von sich gab wie «das menschliche Bewusstsein ist ein tragischer Fehltritt in der Evolution.» Einen derart schrägen TV-Cop hatte man zuletzt vor zwanzig Jahren in Form von Dale Cooper bei «Twin Peaks» gesehen.
Von Prestige-Serie zu «meh»
Kurzum, «True Detective» wurde zum Kult und HBO beauftrage Showrunner Nic Pizzolatto mit der Produktion zweier weiteren Staffeln. Die Serie war von Beginn weg als Anthologie geplant, jede Staffel würde eine neue Handlung mit neuen Figuren beinhalten. Für die zweite Staffel wurde die Handlung von Louisiana nach Los Angeles verlegt und man konnte erneut namhafte Hollywoodstars (u.a. Colin Farrell, Rachel McAdams, Vince Vaughn) an Land ziehen. Doch als die neue Staffel im Sommer 2015 debütierte, fiel sie ins Wasser. In weniger als einem Jahr verlor die Serie ihren Status als Prestige-Serie. Was ist schief gelaufen?

Colin Farrell (links) und Rachel McAdams (rechts) haben nichts zu lachen: die zweite Staffel war ein Flop.
Rückblickend scheinen die Erwartungen der Fans und Kritiker masslos überhöht. Nichtsdestotrotz muss sich HBO an seiner eigenen Nase nehmen. Autor Pizzolatto stand unter Zeitdruck und so wurde innerhalb eines knappen Jahres eine neue Geschichte zusammengezimmert und abgedreht. Das Resultat: eine hoffnungslos vertrackte Handlung, die sich in Einbahnstrassen verirrte. Showrunner Pizzolatto ist allerdings nicht ganz unschuldig am Fiasko.
Er hatte stets einen Hang für etwas gar gestellte Dialoge, die McConaughey und Harrelson in der ersten Staffel noch wettmachten. In der zweiten Staffel strapazierte der Autor hingegen die Geduld der Zuschauer mit seinem Geschwurbel. Ein Rezensent bemerkte pointiert, dass die Dialoge aus einer «zweitklassigen Grand-Theft-Auto-Kopie» zu entstammen schienen.
Letztendlich fehlten der zweiten Staffel Ecken und Kanten sowie eine erkennbare Handschrift wie diejenige Fukunagas, so dass sie seltsam seelenlos wirkte. Nach diesem Fiasko schien lange unklar, ob HBO überhaupt eine dritte Staffel in Produktion geben würde. Als vor etwas mehr als drei Wochen die dritte Staffel seine Premiere feierte, fragten sich Serienfans verständlicherweise, ob «True Detective» wieder Fuss fassen kann.
Back to the roots
Nach den ersten fünf Folgen der neuen Staffel fällt vor allem eines auf: die vielen Parallelen zur ersten Staffel. So ist die Handlung wieder in den ländlichen Südstaaten der USA angesiedelt, genauer gesagt den Ozarks in Arkansas. Mit den Detectives Wayne Hays (Mahershala Ali) und Roland West (Stephen Dorff) steht abermals ein Ermittlerduo im Mittelpunkt der Serie. Zudem erstreckt sich die Geschichte erneut über mehrere Zeitebenen: 1980, als Hays und West das Verschwinden zweier Kinder untersuchen; 1990, als der Fall neu aufgerollt wird; und 2015, als Hays, inzwischen pensioniert, für eine Fernsehsendung zum Fall interviewt wird.
Obwohl die dritte Staffel einige Déja-vu-Momente für die Zuschauer bereithält, überzeugt sie als eigenständige Geschichte.
Macht uns Pizzolatto hier etwas vor, indem er Altbewährtes lediglich aufwärmt und uns als neu verkauft? Glücklicherweise nein. Obwohl die dritte Staffel einige Déja-vu-Momente für die Zuschauer bereithält, überzeugt sie als eigenständige Geschichte.
Einen grossen Anteil daran hat die Fokussierung auf den afroamerikanischen Detective Hays. Oscargewinner Mahershala Ali («Moonlight») glänzt in der Rolle und mimt Hays’ Entwicklung über vier Jahrzehnte mit viel Einfühlung. Wie er den Seelenzustand des wortkargen Vietnamveteranen alleine durch seine Mimik wiedergibt und der Figur eine melancholische Schwere verleiht, ist fantastisch. Stephen Dorff in der Rolle von Hays’ charismatischen Partner Roland West liefert eine solide Leistung ab und im Verlaufe der Serie wird seiner Figur glücklicherweise etwas mehr Spielraum beigemessen. Doch der antreibende Motor der dritten Staffel ist der afroamerikanische Detective.
Dabei ist insbesondere die Zeitebene mit Hays als Witwer interessant. Darin erfährt der Zuschauer, dass Hays an einem frühen Stadium von Alzheimer leidet. Seine Erinnerungen an den weiterhin ungelösten Fall geraten in Vergessenheit und ihm bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Wahrheit zu rekonstruieren. Gleichzeitig zeichnen die Erinnerungslücken Hays als unzuverlässigen Erzähler aus und man hütet sich, ihm ganz zu vertrauen.
Neu wagt sich die Serie auch an Themen wie den Rassismus heran. Dieser wird nicht grossspurig aufgegleist, sondern auf subtile Weise behandelt. Etwa wenn Hays eine schwarze Lehrerin (Carmen Ejogo) fragt: «Wie ist es hier? Sie wissen schon.» Die Lehrerin versteht umgehend worauf der Cop hinauswill, nämlich wie es sich als Afroamerikanerin in einer Südstaatengemeinde lebt. Oder als Hays auf die Ermittlungen der Polizei Bezug nimmt und seinem Partner gegenüber bemerkt: «Wenn ich etwas sage, bedeutet es nichts. Es ist egal, selbst wenn ich recht habe.» Soll heissen: Als Afroamerikaner hat Hays innerhalb der Polizei wenig zu melden. Im Gegensatz zu seinen weissen Kollegen beäugen Hays‘ Vorgesetzte und die Bevölkerung ihn immer wieder mit Argwohn.

Mit Amelia Reardon (Carmen Ejogo, links) hat die männerlastige Serie in der dritten Staffel endlich eine vielschichtige weibliche Figur.
Die Zuschauer dürfen sich ebenfalls darauf freuen, dass Pizzolattos Tendenz zu bedeutungsschwangeren Dialogzeilen sich in Grenzen hält. Ausserdem sind die zwischenmenschlichen Beziehungen ausgereifter und mit der Lehrerin Amanda Reardon (Carmen Ejogo) hat die Serie endlich eine vielschichtige weibliche Figur. Es wird gemunkelt, dass dies David Milch zu verdanken ist. Der mehrfach ausgezeichnete Drehbuchautor («NYPD Blue», «Deadwood») verfasste das Drehbuch für die vierte Folge und soll Pizzolatto bei der Ausarbeitung der Gesamterzählung beiseite gestanden haben. Wie gross der Einfluss von Milch auch gewesen sein mag, die Serie scheint den richtigen Ton gefunden zu haben.
In welche Richtung sich die dritte Staffel von «True Detective» weiterentwickelt, und ob sie zu altem Glanz wiederfindet, lässt sich erst am Ende der Staffel beurteilen. Zumindest wurde der Weg dahin mit einer fesselnden Handlung und Mahershala Alis starker Darstellung bereits geebnet.
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Zu sehen auf sky.ch oder rts.ch.
Bild- Und Trailerquelle: HBO.
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