Der Regisseur Marco Bellocchio («I pugni in tasca», «la cina è vicina») verfilmt das gleichnamige, autobiographische Buch von Massimo Gramellini und schildert wieder ein Thema, das ihm wichtig ist: Die Beziehung vom Sohn zur Mutter. Ein herzzerreissendes Drama, das von Verlust, Schmerz und einem wütenden Kind erzählt, das nicht akzeptiert, dass seine Mutter ihn verlassen hat.
Massimo wächst in einer Neubauwohnung im Turin der 1970er Jahre auf und hat eine besonders enge Bindung zu seiner Mutter. Als Massimo (Nicolò Cabras) neun ist, stirbt plötzlich seine Mutter. Diese Tragödie trifft ihn sehr hart, denn sie haben zusammen gelacht, getanzt und kitschige Fernsehserien, sowie Horrorfilme geschaut. Sein Vater sagt ihm, dass es ein plötzlicher Herzinfarkt war, aber Massimo wird erst viel später erfahren, dass das eine Lüge war. Massimo ist wütend, schottet sich ab und nimmt diese Leere in sein Leben als Erwachsener. Er kann diese Wut und diesen Schmerz nicht abschütteln. Das Publikum begegnet ihm als Erwachsener wieder: Er ist ein gefeierter Journalist, hat Erfolg, aber gleichzeitig verfolgen ihn Panikattacken und er ist emotional unglücklich. Erst als er über 40 ist, erfährt er die Wahrheit über den Tod der Mutter und trifft die Ärztin (Bérénice Bejo), die ihm hilft, das Ganze zu überwinden.
Der ganze Film ist geprägt von Rückblenden, die die Jugend und das Erwachsenenleben von Massimo erzählen. Seine prekäre Welt wird durch die düstere Farbgebung und Musik unterstützt. Die Dialoge sind unterkühlt und oft fehlt Massimo (Valerio Mastandrea) jegliche Menschlichkeit. Alles Dinge, die die Stimmung erheblich beeinflussen und den ganzen Schmerz und sein Leid für das Publikum offenbaren.
Dieses Mal ist beim Altmeister Marco Bellocchio die Mutter abwesend und Massimos Sehnsucht, die Leere und die endlose Trauer scheint nicht überwindbar. Sein Vater hilft ihm nicht, er wie auch seine Verwandten, sagen ihm nicht die Wahrheit. Seinen Freunden erzählt er, dass seine Mutter in Amerika lebt. Erst als er sehr spät im Leben, wie auch im Film auf die wunderschöne Bérénice Bejo trifft, scheint er neue Kraft zu schöpfen und will sich von der Vergangenheit befreien. Er verlangt zu wissen, wie seine Mutter gestorben ist und wirft alles in der Wohnung weg. Seine neue Lebensbegleiterin suggeriert ihm, die Mutter loszulassen. In der bedeutungsschwangeren letzten Sequenz sehen wir, wie der kleine Massimo mit seiner Mutter Verstecken spielt und wie er sich zu Tode erschrickt, als sie sich einen Spass erlaubt und länger nicht rauskommt. Wird Massimo seinen Schmerz und die Vergangenheit überwinden?
Selbstmitleidig und pathetisch
Der Film ist an Stellen sehr schmerzhaft, wie z.B. wenn man dem wütenden kleinen Massimo zuschaut, wie er verlangt, dass die Erwachsenen den Sarg öffnen sollen. Der junge Nicolò Cabras überzeugt und nimmt das Publikum für sich ein. Auch ist es ein cleverer Schachzug die Hauptprotagonistin erst nach zwei Drittel des Filmes einzuführen, denn die schöne Bérénice Bejo rettet Massimo aber auch das Publikum. Sie ist das Licht im Tunnel von Massimo. Der Film ist stark vom psychischen Zustand der Hauptfigur geprägt: Valerio Mastandrea leidet und das Publikum mit ihm. Unangenehm ist, dass seine Darstellung teils selbstmitleidig und pathetisch wirkt, was dem Film die Kraft und die Wut über das Schicksal und die gelebte Lebenslüge nimmt. Die Struktur des Filmes wirkt, mit ihren unübersichtlichen Rückblenden, verbunden mit der exzessiven Länge, sehr ermüdend und als Publikum ist man froh, wenn man diesen schmerzhaften Weg der Erlösung hinter sich lassen und mit Massimo ein neues Kapitel anfangen kann.
Kinostart: 29. Juni 2017 / Regie: Marco Bellocchio / Mit Valerio Mastandrea, Bérénice Bejo, Guido Caprino
Trailer und Filmquelle: Filmcoopi
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