„Wenn ich etwas sehe und ich finde es wunderbar, habe ich Lust es zu machen, ob es gelingt oder nicht, ist zweitrangig, oder nicht?“
In «FINAL PORTRAIT» zeigt uns Stanley Tucci den Alltag des selbstkritischen Künstlers Alberto Giacometti, der jeglichen Ruhm ablehnt. Für ein Porträt will er seinen langjährigen Bekannten Lord eigentlich nur zwei Tage aufhalten. Schlussendlich halten Giacomettis Temperament und Selbstzweifel den geduldigen Freund dann zwei Wochen im chaotischen Alltag des Künstlers gefangen. Die Eindrücke, die Lord während dieser Zeit sammelt, sind prägend.
Das Angebot Giacomettis (Geoffrey Rush), ihn in seinem Pariser „Kunsttempel“ zu poträtieren, lässt dessen amerikanischen Schriftstellerfreund Lord (Armie Hammer) über beide Ohren strahlen. Eigentlich hatte er geplant, am nächsten Tag zurück in die Staaten zu fliegen, stattdessen taucht Lord also in das künstlerische Chaos Albertos ein.
Das Zuhause Giacomettis, das nun auch der Zuschauer betreten kann: ein graues Foyer, Räume mit unzähligen der spindeldürren, in die Länge gezogenen, sich in unterschiedlichen Stadien der Entstehung befindlichen Skulpturen des Künstlers – sie stehen da wie kahle Bäume. Überall herrscht Chaos, auch Geldbündel liegen herum; der misstrauische Giacometti bunkert es lieber in seinem bescheidenen Heim als bei der Bank.
Allerdings will Giacometti niemandem etwas vormachen: so krausig und grau sein Heim, so vernachlässigt auch sein Aussehen. Er legt nicht viel Wert auf Äusserliches, ist klein, wechselt seine Kleidung nicht oft, die meiste Zeit hängt eine Zigarette von seinen Lippen. Ja, er lebt in den einfachsten Umständen – und das als berühmtester Künstler seiner Zeit. Er ist das komplette Gegenteil des charismatischen, immer gut frisierten, peniblen Lord, den Alberto bittet, als Modell auf einem Stuhl neben der Staffelei Platz zu nehmen. Die Kunst nimmt Anlauf, das Werk ist nach einigen Strichen beendet.
Doch Giacometti ist schnell abgelenkt, verliert jegliche Konzentration. So wird die Arbeit immer wieder aufs Neue vertagt und die Zeit Lords rücksichtslos in Anspruch genommen. Der Film zeigt den Künstler als jemanden, der ständig auf dem Sprung zu sein scheint: Genervt von seiner Frau Annette verlässt er das Haus, möchte sofort das strahlende Gesicht seiner Liebhaberin Caroline (Clémence Poésy) vor Augen geführt haben. Einen weiteren Gegenpol stellt sein Bruder Diego dar, ebenfalls Künstler und Designer, schaut ihm kopfschüttelnd nach und arbeitet in Ruhe weiter an seinen Werken. Aber wer kennt heute schon Diegos Werk?
Fazit:
Durch die Perspektive Lords lernen wir Giacometti näher kennen, insbesondere dessen menschliche Schwächen und seine Exzentrik, die ihn erst zum Künstler zu machen scheint. Die Porträtsitzung könnte sich auch ins Unendliche ziehen, würde Lord den Künstler nicht irgendwann durchschauen und austricksen. Im Filmporträt nimmt der Künstler Giacometti seine Arbeit sehr ernst, gleichzeitig wird aufgezeigt, dass der Weg zum Kunstwerk aber auch durchaus humorvoll sein kann. So temperamentvoll und kurzweilig kann Kunsterlebnis sein!
Kinostart: 24.08.2017 / Regie: Stanley Tucci / Mit: Geoffrey Rush, Armie Hammer, Clémence Poésy
Trailer- und Bildquelle: Filmcoopi
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