Vierzehn sein ist schon so genug anstrengend. Sich zusätzlich in einen fast doppelt so alten Typen zu verlieben, kann einen dann schon fast an die Grenze der Verzweiflung treiben. Basierend auf Sophie Bienvenus gleichnamigen Roman, inszeniert Léa Pool in «Et Au Pire, On Se Mariera» auf einfühlsame Weise die «up and downs» der Pubertät am Beispiel einer obsessiven Liebe.
Aïcha (Sophie Nélisse) ist eine Einzelgängerin. Ihre Mutter ist berufsbedingt kaum zu Hause, was die sowieso schon angespannte Mutter-Tochter Beziehung nur noch mehr strapaziert. Ihre einzigen Freunde, wenn man so sagen kann, sind zwei Dragqueens, die hauptsächlich nur als Alkohol- und Zigarettenlieferanten für die Vierzehnjährige dienen. Aïchas rotzige Art schreckt in der Schule nicht nur Lehrer, sondern offensichtlich auch Mitschüler ab. So verbringt sie ihre Nachmittage alleine mit ihren Rollerblades in Parks oder Spielplätzen. Bis ihr eines Tages Baz (Jean-Simon Leduc) über den Weg läuft. Die beiden unterhalten sich und verstehen sich gut, sodass es zu mehreren Treffen kommt. Doch während Baz sie als kleine Schwester sieht, hat sich Aïcha schon längst Hals über Kopf in den attraktiven Musiker verliebt.
«Je voudrais être une pute. Mais juste pour un seul client, un respectueux, un qui me demande comment c’est passée ma journée.»
Was als einfache Coming-of-Age Story beginnt, entwickelt sich zur obsessiven Liebe. Durch verschiedene Rückblenden entfaltet sich langsam Aïchas komplexes und fragiles Wesen, was vorerst durch ihre Rotzgöre-Attitüde überdeckt wurde. Die starke Interpretation von Sophie Nélisse lässt den Zuschauer durchgehend mitleiden. Man fühlt sich wie selbst wieder in die Pubertät zurückgeworfen, was ebenfalls von Pools solider Regiearbeit zeugt. Der Film ist eine Achterbahnfahrt, wie man es eben nur in den Teenagerjahren erlebt. In der einen Sekunde scheint die Welt durch eine rosarote Brille zu schimmern, in der anderen fühlt es sich an als ob man den Boden unter den Füssen verliert. Dies wird in «Et Au Pire, On Se Mariera» durch Aïchas obsessive Liebe für Baz, so stark in die Extreme getrieben, dass der Film bis zum Schluss die Spannung aufrecht erhält. Ausserdem schwankt der Zuschauer stets durch verschiedene Versionen der erzählten Begebenheiten, was einerseits Aïchas seelisch-verwirrter Zustand reflektiert aber auch auf narrativer Ebene das Erzähltempo auf Trab hält.
«Et Au Pire, On Se Mariera» ist ein spannender Coming-of-Age Film, der durch die berührende Handlung, die starken schauspielerischen Leistungen und nicht zuletzt dem charmanten français québécois betört.
Kinostart Deutschschweiz: 22 März 2018
Lunchkino Special im Arthouse Le Paris in Anwesenheit von Léa Pool: 20 März 2018
Regie: Léa Pool / Mit: Sophie Nélisse, Jean-Simon Leduc, Karine Vanasse, Isabelle Nélisse
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