Wäre dieser Film ein Buch, dann ein sehr dicker Schinken: Während mehr als drei Stunden gewährt Frederick Wiseman mit «Ex Libris: The New York Public Library» einen Blick hinter die Kulissen einer der bekanntesten Bibliotheken der Welt. Das hat seinen Reiz – aber auch seine Längen.
«Libraries are not about books. That’s what a lot of people think: It’s a storage place for books. No, libraries are about people». Diese Aussage einer niederländischen Architektin zur Funktion von Bibliotheken bildet den Kern von Frederick Wisemans Dokumentarfilm «Ex Libris». Wiseman nimmt seine ZuschauerInnen mit in die Welt der Public Library von New York. Oder besser: in die Welten. Denn das Angebot der NYPL ist so vielfältig wie es die intellektuellen Bedürfnisse von arbeitenden, lernenden, schaffenden Menschen sind.
Die Kamera zeigt uns zahlreiche der insgesamt 92 Zweigstellen, in den denen gelernt und gelehrt, Vorträgen und Konzerten gelauscht, recherchiert und gespielt wird. Ihre Angestellten kümmern sich um Lernhilfen für sozialbenachteiligte Kinder, machen Weltliteratur für Blinde und Theater für Hörlose erlebbar, organisieren Veranstaltungen zu brisanten politischen Themen und Jobbörsen. Wisemans Kamera sieht zu und lässt den Zuschauer mitbeobachten – und so entdecken, was Bibliotheken alles sind.
Weil sich Wiseman für die Funktionsweise von kulturellen Institutionen interessiert («La danse» zur Opéra de Paris, «National Gallery» zum Londoner Kunstmuseum), sitzen wir immer wieder auch in Sitzungen der Bibliotheksleitung. Thema ist da leider beinahe ausschliesslich das liebe Geld. Die Finanzierung der NYPL funktioniert ganz amerikanisch: Die Bibliothek ist auf die Unterstützung der Stadt ebenso wie auf private Gelder angewiesen, die Zuwendungen sind aber auch voneinander abhängig – es geht also hin und her. Für grosse Fragen und die Planung zukunftsweisender Projekte – Stichwort Digitalisierung – ist auch wegen Wisemans’ Losung der blossen Beobachtung leider kein Raum. Aber trotz – oder gerade wegen – den sich im Kreis drehenden Finanzplänen: «Ex libris» ist eine Hommage an die demokratische Institution der Bibliothek, die umso wertvoller erscheint, je unwirtlicher das politische Klima und je kleiner die Unterstützung von offizieller Seite.
Kinostart Deutschschweiz: 15.2.2018 / Regie: Frederick Wiseman
Trailer und Bilder: Xenix Film
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