Die Kinos sind noch nicht geöffnet und die Festivals bleiben bis mindestens Ende August aus. Zeit für eine weitere Runde Corona-tauglicher Kurzfilmhighlights für zuhause!
Der Kurzfilm ist so alt wie das Medium Film selbst, doch sind auch Kurzfilme von heute bekannten Regisseuren kaum einem breiteren Publikum bekannt. John Canciani (künstlerischer Leiter) und Laura Walde (Programmkoordination) von den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur teilen daher exklusiv für Maximum-Cinema-Leser*innen eine Liste von Kurzfilmklassikern, auf die man jederzeit online zugreifen kann.
«Le voyage dans la lune» von Georges Méliès (Frankreich 1902)
Ein Science-Fiction-Film der ersten Stunde: Der Moment, in dem das Spaceshuttle im Auge des Mondes landet, ist einer der ikonischsten und am häufigsten zitierten Bilder der Filmgeschichte.
«Two Men and a Wardrobe» von Roman Polanski (Polen 1958)
Ein Studentenfilm, den Roman Polanski («Chinatown», «The Pianist») während seiner Ausbildung an der National Film School in Łódź drehte und mit dem er als 25-Jähriger bereits Preise in Oberhausen und San Francisco abräumte.

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«La Jetée» von Chris Marker (Frankreich 1962)
Ein Klassiker der Filmgeschichte, der auch heute nichts in seiner Aktualität oder formalen Innovationskraft eingebüsst hat: Die hauptsächlich mit Fotos erzählte Geschichte beginnt in Paris, nach dem Dritten Weltkrieg und der nuklearen Zerstörung der gesamten Erdoberfläche. Eine Gruppe von Wissenschaftlern schickt einen Gefangenen als Versuchsperson auf eine Zeitreise, um Nahrungsmittel, Medizin und Energiequellen aus der Zukunft zu besorgen: «um der Gegenwart mit der Vergangenheit und Zukunft zu helfen». Übrigens: «La Jetée» war die direkte Inspirationsquelle für Terry Gilliams «12 Monkeys»(1995). Hier klicken um den Film zu sehen.
«The Big Shave» von Martin Scorsese (USA 1967)
Nichts für Zartbesaitete ist Martin Scorseses erster Film, in dem sich ein Mann rasiert und nicht zu bemerken scheint, dass er sich dabei blutig schneidet. Der Film, den Scorsese in seiner Studienzeit an der Tisch School of the Arts in New York gedreht hat, wird als Kommentar auf Amerikas Verwicklung in den Vietnamkrieg gedeutet.
«C’était un rendez-vous» von Claude Lelouch (Frankreich 1976)
Dieser legendäre und mythenumworbene Kurzfilm, der lange nicht öffentlich aufgeführt werden durfte, zeigt eine wahnsinnige Adrenalinfahrt durch die Pariser Strassen der 1970er Jahre. Der bahnbrechende französische Regisseur Claude Lelouch filmte diese Irrfahrt in einer Einstellung und begeistert damit sowohl Autonarren als auch Cinephile.
«Meshes of the Afternoon» von Maya Deren und Alexander Hammid (USA 1943)
«Meshes of the Afternoon» ist eines der einflussreichsten Werke des amerikanischen Experimentalfilms. Ganz ohne Erzählung ist es ein Schlüsselbeispiel für den sogenannten «Trance-Film» – ein Werk, in dem sich eine Person in einem traumähnlichen Zustand befindet und in dem die Kamera deren subjektiven Fokus vermittelt.
«Le ballon rouge» von Albert Lamorisse (Frankreich 1956)
Die wenigen Bücher und Artikel, die es zum Kurzfilm gibt, nennen aus irgendeinem Grund immer diesen Cannes- und Oscargewinner von 1956 als Paradebeispiel. Nicht nur ist «Le ballon rouge» der einzige Kurzfilm, der je einen Drehbuchoscar gewann – er wurde 1996 sogar von Anthony Clark sogar für die Bühne adaptiert.
«Food» von Jan Švankmajer (Tschechien 1992)
Auch ein Klassiker des Animationsfilms (Knetanimation und Pixilation) vom grossen tschechischen Meister Jan Švankmajer («Alice») darf in der Auswahl nicht fehlen: eine Geschichte von der surrealen Beziehung des Menschen zu seinem Essen.
«Scorpio Rising» von Kenneth Anger (USA 1964)
Mittels Found Footage und Popsongs aus den frühen Sechzigerjahren porträtiert der US-amerikanische Underground- und Avantgarde-Filmemacher Kenneth Anger eine Gruppe jugendlicher Biker und ihren Anführer. Sie reparieren liebevoll ihre Motorräder, werfen sich in lüsterne Posen, entweihen eine Kirche und vergnügen sich bei Motorradrennen. «Scorpio Rising» wird von einigen Kritiker*innen als erstes Drama mit einem Rock-Soundtrack definiert. (Fans von Nicolas Winding Refns «Drive» dürfen sich zudem über die Inspiration für Ryan Goslings Jacke freuen.)
«Heavy Metal Parking Lot» von Jeff Krulik und John Heyn (USA 1986)
«Heavy Metal Parking Lot» portraitiert eine Generation verloren im Drogenrausch, im Dunst von Alkohol und Headbanger-Musik. Dieser Film, zusammengestellt aus Interviews mit Fans an einem Judas–Priest-Konzert in Maryland, ist ein kultureller Meilenstein der aufzeigt, wie es damals wirklich war als Rock- und Heavy-Metal-Fan.
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Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Laura Walde und John Canciani von den Internationalen Kurzfilmtagen Winerthur entstanden. Herzlichen Dank!
Titelbild aus «Meshes of the Afternoon», Quelle: www.film-makerscoop.com
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