Mit seinem neuesten Film nimmt uns Regisseur Yorgos Lanthimos auf eine Zeitreise ins England des 18. Jahrhunderts. In einer Mischung aus Satire und Historiendrama erzählt er in «The Favourite» von den Intrigen und Machtspielen am Hof von Queen Anne.
Wir befinden uns im England des 18. Jahrhunderts. Das Land führt Krieg mit Frankreich, doch am Hof von Queen Anne (Olivia Colman) ist die Noblesse scheinbar eher mit dem Feiern prunkvoller Feste und absurder Spiele beschäftigt als sich um die politische Lage zu kümmern. Geplagt von Gicht und gezeichnet von 17 Fehlgeburten ist die Königin kaum fähig, ihr Land zu führen. So ist es vielmehr ihre Vertraute Lady Sarah (Rachel Weisz), die mit den Politikern am königlichen Hof die politischen Strippen zieht. Als aber Sarahs junge Cousine Abigail (Emma Stone) plötzlich auftaucht, beginnt zwischen den beiden Frauen ein erbitterter Kampf um die Gunst der Königin und letztendlich auch um die Macht am Hof.
Eine Mischung aus Hoftanz und Freestyle
Regisseur Lanthimos («The Lobster», «Killing of a Sacred Deer») inszeniert den Königshof mit schnörkelloser Hingabe zum Detail und einer gehörigen Prise bissiger Ironie. Kostüm- und Setdesign, die Kameraarbeit und Mise en scène kreieren einen sinnlichen Eindruck von der Dekadenz des Englischen Adels. So scheinen der Pomp und Prunk der königlichen Gemächer zum Greifen nah, wenn die Kamera die schweren, opulenten Wandteppiche und die goldene Ausstattung von Queen Annes Schlafzimmer einfängt. Der Einsatz von Weitwinkel und Fischaugenobjektiv lassen das Publikum den Rausch und Taumel der Hofgesellschaft mitfühlen. Und auch bei Kostüm und Schminke kostet Lanthimos genüsslich die Möglichkeiten des Kostümdramas aus: So etwa in den kunstvollen Perücken, Absatzschuhen und weissgepuderten Gesichter der Minister und Parteipolitiker, die an Queen Annes Hof ihre Intrigen spinnen. Aber dabei driftet «The Favourite» nie selbst ins Zelebrieren dieses Luxus ab; vielmehr lenkt er die Aufmerksamkeit auf die unappetitlichen Seiten dieses Lebensstils. So wird wohl in keinem anderen Historiendrama so oft erbrochen wie in «The Favourite».
Besonders ins Auge stechen auch die aufwendig gestalteten Gruppenszenen. Ein wunderbares Beispiel dafür ist etwa eine Tanzszene zwischen Lady Sarah und einem der Lords: Mit beeindruckender Leichtigkeit legen die beiden eine Mischung aus Hoftanz und Freestyle Battle aufs Parkett, das einem ein anerkennendes Schmunzeln ins Gesicht treibt. Das hat mit angestaubten, herkömmlichen Historiendramen gar nichts mehr zu tun.
Emma Stone als intrigante Magd Abigail.
Wucht und Feinheit
Der eigentliche Höhepunkt von «The Favourite» ist aber definitiv die Dreiecksbeziehung zwischen Queen Anne, Lady Sarah und Abigail. Der Film schafft es gekonnt, die Komplexität der Freundschaften und Liebesbeziehungen zwischen diesen drei Frauen als vielschichtiges Gebilde aus Loyalität, Intrige, Machthunger und Begierde nachzuzeichnen. Dies ist nicht zuletzt den unglaublichen schauspielerischen Leistungen von Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone geschuldet. Den drei Schauspielerinnen gelingt es scheinbar mühelos – trotz opulenter Kostüme und prunkvollem Dekor – ihre Rollen mit einer Wucht und Feinheit zu erfüllen, die einem den Atem rauben.
Den drei Schauspielerinnen gelingt es scheinbar mühelos – trotz opulenter Kostüme und prunkvollem Dekor – ihre Rollen mit einer Wucht und Feinheit zu erfüllen, die einem den Atem rauben.
Dennoch bleibt einem von «The Favourite» teils auch ein unangenehmer Nachgeschmack. Was genau ist die Moral, der Nutzen zwei Stunden lang unglaublich reichen Menschen bei ihrer Völlerei zuzusehen? Der Film weigert sich, diese Frage zu beantworten.
Fazit: Am Schluss bleibt man hin und her gerissen zwischen Angewidertsein ob der Dekadenz und dem Exzess und unglaublich vielschichtig und fein gezeichneten Beziehung zwischen drei komplexen und komplizierten Frauenfiguren, atemberaubend gespielt von Colman, Stone und Weisz. Gesehen haben muss man «The Favourite» aber allemal.
Kinostart Deutschschweiz: 24. Januar 2019 / Auf Netflix Schweiz
Regie: Yorgos Lanthimos / DarstellerInnen: Olivia Colman, Rachel Weisz, Emma Stone, Nicholas Hoult, uvm.
Bild- und Trailerquelle: 20th Century Fox. (Update: Disney Schweiz)
Irrwitzig und zugleich genial. Yorgos Lanthimos' Interpretation eines Kostümdramas.
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