Teile von «The Birth of a Nation», dem subversiven Namensvetter des kontroversen Stummfilmklassikers von 1915, hinterlassen einen starken Eindruck. Der ganz grosse Wurf ist dem Regiedebütanten Nate Parker damit aber noch nicht gelungen.
Neben den Propagandafilmen von Leni Riefenstahl ist D. W. Griffiths Bürgerkriegsepos «The Birth of a Nation» wohl das umstrittenste ‹Meisterwerk› der Filmgeschichte. 20 Jahre nach der Erfindung des Mediums revolutionierte Griffith die Kinoästhetik und zeigte der kommenden Generation von Filmemachern – Lang, Murnau, Eisenstein, Ford, Hitchcock und wie sie alle hiessen –, wozu das bewegte Bild fähig ist. Doch der technische Meilenstein ist ethisch und historisch belastet: Seine Chronologie der schmerzvollen «Geburt» des modernen Amerikas ist geprägt von Südstaatenromantik und rassistischen Ressentiments; Griffiths Verherrlichung des Ku-Klux-Klans verhalf der in den 1870er Jahren stillgelegten Lynch-Terrorgruppe zu einem unerwarteten Neuanfang.
Die Idee, 100 Jahre später unter demselben Titel einen Film über die brutale Sklavenrebellion zu machen, die im Sommer 1831 im Southampton County von Virginia rund 60 Weissen das Leben kostete, hat etwas Brillantes an sich. Es ist ein hochintelligenter Schlag gegen die Bigotterie der weissen USA: Wer sich über Nate Parkers wohlwollendes Porträt des rebellischen Priesters Nat Turner (gespielt von Parker selbst) echauffiert, wird sich die Frage gefallen lassen müssen, wieso er oder sie nicht ebenso starke Gefühle gegen Griffiths «Birth of a Nation» hegt – wieso er oder sie sich auf den gewaltsamen Tod von 60 weissen Sklavenhaltern einschiesst, wenn direkt nach Turners Revolte doch mehr als doppelt so viele Schwarze weissen Racheakten zum Opfer fielen.

Der Sklavenpfarrer Nat Turner (Nate Parker) arbeitet auf der dahinsiechenden Plantage von Samuel Turner (Armie Hammer).
Den Anknüpfungspunkt zu Griffith findet Parker, den man als Schauspieler in Filmen wie «The Great Debaters» (2007), «The Secret Life of Bees» (2008), «Arbitrage» (2012) und «Beyond the Lights» (2014) gesehen hat, in der allerletzten Szene, wo Turners Griff zur Gewalt gegen Unterdrückung als Funke interpretiert wird, der, 30 Jahre später, zu einem Bürgerkrieg führt, in dem schwarze Soldaten für Lincolns Union und ihre eigene Freiheit kämpfen. Die Ideologie des von Griffith so gefeierten Klans hat den Krieg verloren, mahnt der Film, und befindet sich ohnehin auf der falschen Seite der Geschichte. Der Geburtshelfer Amerikas war Turner, nicht der KKK.
Filmisch wird dieses Erbe in eindrücklichen Bildern vermittelt; die besten Szenen sind vor allem im letzten Drittel zu finden, wo das Pulverfass schliesslich explodiert und Turner und seine Kameraden im Kampf gegen die Sklavenhalter und -jäger um Raymond Cobb (Jackie Earle Haley) zu den Waffen greifen. Was man zuvor zu sehen bekommt, ist unspektakuläres, streckenweise allzu sentimentales Historienkino. Parker zeigt Turners Werdegang zum Sklavenpfarrer, der im Auftrag seines Besitzers Samuel (Armie Hammer) auf umliegenden Plantagen den Arbeitern Mut zusprechen soll – aus einer Bibel, aus der sämtliche Verse gegen die Sklaverei entfernt wurden. Nebenher verliebt sich der religiöse Eiferer in Cherry (Aja Naomi King), eine Sklavin vom Nachbargut.
Das alles ist hübsch anzusehen, doch abgesehen vom explosiven, zornentbrannten Finale wird man sich längerfristig nicht speziell an Parkers «The Birth of a Nation» erinnern. Es ist ein faszinierendes Konzept, das mitunter mitzureissen vermag, doch man wird das Gefühl nicht los, dass eine Amma Asante, ein Spike Lee oder eine Ava DuVernay mehr daraus zu machen gewusst hätten.
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Kinostart Deutschschweiz: 27.4.2017
Filmfakten: «The Birth of a Nation» / Regie: Nate Parker / Mit: Nate Parker, Armie Hammer, Aja Naomi King, Jackie Earle Haley, Mark Boone Junior, Esther Scott / USA, Kanada / 120 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Cineworx
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