Seit 2000 hat Hugh Jackman in acht „X-Men“-Filmen den Wolverine gespielt – nun hängt er die Adamantiumkrallen an den Nagel. Regisseur James Mangold („Walk the Line“) verabschiedet ihn in „Logan“, dem vielleicht innovativsten Superheldenfilm seit der Jahrtausendwende.
Das ganz grosse Geld mit Comicverfilmungen mögen Disney/Marvel („The Avengers“) und Warner Bros./DC („Batman v Superman“) machen. Doch nach „Deadpool“ (2016) und „Logan“ darf konstatiert werden: Den Mut, mit dem Genre zu spielen, bringt 20th Century Fox auf, das Studio, welches noch immer über die Rechte an der Marvel-Franchise „X-Men“ verfügt. „Deadpool“ war ein freches, blutiges Meta-Konstrukt, in dem die aktuelle Ära des Superheldenkinos erstmals konsequent ironisch angegangen wurde. „Logan“ geht noch einen Schritt weiter und wagt das, was eine destruktive Parodie im Idealfall auslöst: einen Neuanfang.
Zugegeben, inhaltlich könnte Mangolds Film nicht weiter von einem Neuanfang entfernt sein. „Logan“ spielt 2029; sein selbstheilender Protagonist Wolverine sieht seinem 200. Geburtstag entgegen; sein väterlicher Mentor Charles Xavier (Patrick Stewart), auch bekannt als Mutanten-Anführer Professor X, ist 90 Jahre alt und bekundet zunehmend Mühe damit, seine telepathischen Kräfte unter Kontrolle zu halten. Zusammen mit einem der letzten überlebenden Mutanten, dem Albino Caliban (Stephen Merchant), leben sie zurückgezogen in der Wüste. Und doch stürzen sich Wolverine und Charles noch einmal ins Gefecht: Ein Mädchen namens Laura (Dafne Keen), wie Wolverine mit ausfahrbaren Adamantiumkrallen ausgestattet, sucht bei ihnen Schutz vor den Mutantenjägern Donald Pierce („Narcos“-Star Boyd Holbrook) und Zander Rice (Richard E. Grant). Es beginnt eine furiose Jagd durchs Land, von Texas bis nach North Dakota.
Worin besteht also der Neuanfang? Einerseits übernimmt Mangold, der 2013 bereits „The Wolverine“ inszenierte, die drastischen Bilder aus „Deadpool“: Wolverine tötet – und dass seine Krallen dabei Schädel durchstossen und Gliedmassen von Körpern trennen, wird in den fulminant choreografierten Kampfszenen nicht ausgespart.
Beeindruckender jedoch ist der Tonfall, den „Logan“ anschlägt: Mangold und seine Co-Autoren Scott Frank und Michael Green bewegen sich irgendwo zwischen „Little Miss Sunshine“ (2006) und David Lynchs „The Straight Story“ (1999) und erzählen eine Geschichte mit emotionalem Tiefgang. Gerade das lakonisch-melancholische Zusammenspiel von Hugh Jackman und Patrick Stewart – beide seit dem ersten „X-Men“-Film mit von der Partie – sorgt für menschlich berührende Szenen, die man, bei aller Liebe zu Disneys Marvel-Universum, in einem „Iron Man“ oder einem „Captain America“ so nicht zu sehen bekommt.
„Logan“, mehr noch als „Deadpool“ oder das überraschende Horror-Sequel „10 Cloverfield Lane“ (2016), versinnbildlicht das Potential, das im modernen Franchisenkino steckt. In Wolverines Abgesang wird das Publikum für seine 17-jährige Treue zu Jackmans Figur angemessen belohnt. Die grundlegende Tragik des Charakters – des langlebigen Einzelgängers, dessen Freund- und Liebschaften wegen äusserer Umstände stets nur von kurzer Dauer sind – wird in einem düsteren, aber zu keinem Zeitpunkt überambitionierten Roadmovie-Actiondrama seriös und stimmig ausgeleuchtet. Hier sichert sich Jackmans Wolverine seinen verdienten Platz in der Kinogeschichte.
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Kinostart Deutschschweiz: 2.3.2017
Filmfakten: „Logan“ / Regie: James Mangold / Mit: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Stephen Merchant, Dafne Keen, Boyd Holbrook, Richard E. Grant / USA / 111 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Twentieth Century Fox Film Corporation
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