Pilot, Taucher, Forscher, Tüftler, Lehrer, Kapitalist, Autor, Regisseur, Weltstar – der französische Meeresbiologe Jacques-Yves Cousteau (1910–1997) war eine überlebensgrosse Persönlichkeit, der Jérôme Salle im bildgewaltigen Biopic „L’odyssée“ auf den Grund gehen will.
Wer filmemacherischen Aufbruch sehen will – in der Art, wie ihn Cousteau selbst in Werken wie „Le monde du silence“ (1956) oder „Voyage au bout du monde“ (1976) unternommen hat –, ist bei Salle („Anthony Zimmer“, „Zulu“) nicht unbedingt an der richtigen Adresse. „L’odyssée“ hält sich konsequent an die Konventionen des Genres: Mehr oder weniger chronologisch wird abgearbeitet, wie „JYC“ (Lambert Wilson) in den Vierzigerjahren mit einem Sauerstoffgerät das Tauchen revolutioniert und in den Fünfziger- und Sechzigerjahren mit seinen Meeresdokumentationen zur internationalen Medienikone aufsteigt. Die Kehrseite des Erfolgs ist jedoch ein zunehmend gespanntes Verhältnis zu seiner Ehefrau Simone (Audrey Tautou) und seinem Sohn Philippe (Pierre Niney).
Doch zum Glück muss nicht jeder Film das Rad neu erfinden, um einen Eindruck zu hinterlassen. Es ist eine Kunst für sich, mit Bewährtem gekonnt umgehen zu können – ein Blick ins klassische Hollywood von John Ford bis Billy Wilder genügt. Salle und Co-Autor Laurent Turner erzählen auf unterhaltsame, niemals melodramatische Art und Weise davon, wie die moderne Film- und Fernseh-Naturlehre erst ihr Profitpotenzial und dann ihr ökologisches Gewissen entdeckt. Auf der menschlichen Ebene bleibt „L’odyssée“ zwar überwiegend nahe an der Oberfläche, bietet aber dank starker Leistungen Lambert Wilsons und Pierre Nineys auch emotional Ansprechendes.
Der Hauptgrund, die Cousteau-Biografie zu sehen – sie auf der grossen Leinwand zu erleben –, ist aber zweifellos Matias Boucards Kameraarbeit. In expressiven Farben beschwören er und Salle an Land die generelle Aufbruchstimmung der Technicolor-Ära herauf, derweil sie unter Wasser, unterstützt von Alexandre Desplats atmosphärischer Musikuntermalung, Magisches vollbringen. Wenn die Cousteaus in der tiefblauen „Welt der Stille“ mit Robben, Walen und Haien auf Tuchfühlung gehen, vermittelt Boucard dies mit atemberaubenden Bildern. In diesen Momenten ist „L’odyssée“ dem grossen JYC ganz nah.
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Kinostart Deutschschweiz: 8.12.2016
Filmfakten: „L’odyssée“ / Regie: Jérôme Salle / Mit: Lambert Wilson, Pierre Niney, Audrey Tautou, Laurent Lucas, Benjamin Lavernhe, Vincent Heneine / Frankreich / 122 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Frenetic
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