Die amerikanische Indie-Szene befindet sich mitten in einem goldenen Zeitalter des Qualitätshorrors. Spielfilmdebütant Michael O’Shea versucht mit «The Transfiguration» auf diesen Zug aufzuspringen. Gelungen ist ihm das aber nur teilweise.
Die Zeiten von Slasher-Horror, Found Footage und Torture Porn scheinen fürs Erste vorbei zu sein. An ihre Stelle getreten ist ein von überwiegend jungen FilmemacherInnen geprägtes Subgenre, dem der britische «Guardian» unlängst den Namen «Post-Horror» verlieh. Dazu gehören Werke wie Ana Lily Amirpours «A Girl Walks Home Alone at Night» (2014), David Robert Mitchells «It Follows» (2014), Robert Eggers‘ «The Witch» (2015), David Lowerys «A Ghost Story» (2017), Jordan Peeles «Get Out» (2017) oder Trey Edward Shults‘ «It Comes at Night» (2017). Sie zeichnen sich oft durch Sozialrealismus, Melancholie oder ein Auseinandersetzen mit menschlichen Urängsten aus. Es ist das Genrekino einer Generation, die mit Terrence Malick, David Lynch und dem internationalen Kunstfilm gross geworden ist.
Entsprechend ambitioniert kommt «The Transfiguration» daher, der auch diesem Kontext zuzuordnen ist. O’Sheas Bezugspunkte sind nicht schwer zu erraten: Seine unkonventionelle New Yorker Vampirgeschichte ist eine fast schon explizite Hommage an die Blutsauger-Neoklassiker «Let the Right One In» (2008) von Tomas Alfredson und «Thirst» (2009) von Park Chan-wook.
Als Protagonist fungiert der elternlose Teenager Milo (Eric Ruffin), der einmal im Monat Blut trinken muss, um zu überleben. Ansonsten jedoch ist er von anderen Menschen nicht zu unterscheiden: keine spitzen Eckzähne, keine Knoblauchphobie, und auch die Sonne kann ihm nichts anhaben. Und dennoch ist er ein Einzelgänger, der sowohl von seinen Schulkameraden als auch von den Gangmitgliedern, die seine Nachbarschaft unsicher machen, schikaniert wird. Als er sich in seine neue Nachbarin, die gleichaltrige Sophie (Chloe Levine), verliebt, keimt Hoffnung auf ein neues Leben auf – wäre da nicht Milos Blutdurst…
Michael O’Shea erzählt hier eine interessante, dank Margaret Chardiets schaurig-effektiver Filmmusik äusserst atmosphärische Geschichte, die sich gerade dank ihrer schwarzen Hauptfigur von so manch anderem Horrordrama abhebt. Doch darin liegt auch das Grundproblem von «The Transfiguration»: Er eifert mit seinem Porträt eines benachteiligten schwarzen Jugendlichen dem Oscargewinner «Moonlight» (2016) nach, bedient sich dabei aber – womöglich unbeabsichtigt – rassistischer Klischees, die eigentlich längst der Vergangenheit angehören sollten.
Denn Milo ist ein Opfer seiner Triebe; seinen Vampirismus beschreibt er selbst als «genetische Krankheit». Zusammen mit der Tatsache, dass seine Opfer allesamt weiss sind – einschliesslich ein kleines Mädchen und dessen Vater, in deren Wohnung er einbricht –, erinnert dies unangenehm an den Stereotypen des triebgesteuerten schwarzen Mörders, den «Thug», der ‹einfach nicht anders kann›. Anzeichen von Subversion lassen sich kaum erkennen. Das macht O’Sheas Film bestenfalls ungeschickt, schlimmstenfalls geschmacklos.
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Kinostart Deutschschweiz: 13.7.2017
Filmfakten: «The Transfiguration» / Regie: Michael O’Shea / Mit: Eric Ruffin, Chloe Levine, Aaron Clifton Moten / USA / 97 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Xenix Filmdistribution GmbH
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