Nach dem Erfolg von «The Mandalorian» will es Disney noch einmal wissen: Die Spin-Off-Serie «The Book of Boba Fett» rückt den gefeierten titelgebenden Kopfgeldjäger ins Rampenlicht. Was ein grossartiger Erfolg mit Ansage hätte sein können, ist stattdessen das Schlimmste, was Disney den «Star Wars»-Fans in den letzten zwei Jahren angetan hat.
Wenn es um Kopfgeldjäger im «Star Wars»-Universum ging, gab es bisher kein Vorbeikommen an Boba Fett. Der wortkarge und unerbittliche Mandalorianer ist seit seinem ersten Filmauftritt in den Achtzigerjahren einer der Lieblinge der Fans und geniesst – trotz weniger Filmminuten – Legendenstatus. Doch Lucasfilm und Disney taten sich bisher immer schwer damit, der Begeisterung der Fans mit mehr Boba-Fett-Inhalten zu begegnen: Eine aufwändige Live-Action-Serie wurde eingestampft, genauso wie ein geplantes Videospiel, und nachdem «Solo: A Star Wars Story» (2018) an den Kinokassen enttäuschte, zog Disney auch dem Boba-Fett-Film den Stecker.
In der Zwischenzeit konnte sich ein anderer Mandalorianer ins Rampenlicht drängen: Din Djarin, der von Pedro Pascal («Wonder Woman 1984») verkörperte Berufskollege von Fett, der dank seiner Auftritte in den beiden Staffeln von «The Mandalorian» zu einem neuen Fanliebling avancierte. Überhaupt ist Din Djarin in vielerlei Hinsicht ein zweiter Boba Fett: ein wortkarger und kompromissloser Söldner in mandalorianischer Beskar-Rüstung, im Dienste derer, die ihn sich leisten können. Wozu brauchen wir überhaupt noch Boba Fett? Eine zufriedenstellende Antwort kann auch «The Book of Boba Fett» nicht liefern – im Gegenteil.
Die Spin-Off-Serie zu «The Mandalorian» stammt erneut aus der Feder von Jon Favreau («Iron Man», «The Lion King»); böse Zungen behaupten gar, dass sie nur deshalb das Licht der Welt erblickt hat, weil Pedro Pascal fürs Erste mit den Dreharbeiten zu «The Last of Us» beschäftigt ist und «The Mandalorian» pausieren muss. Tatsächlich wirkt «The Book of Boba Fett» wie ein müder Abklatsch von «The Mandalorian»: eine Serie, die viel vorhat, aber nie wirklich in Fahrt kommt.
Angesiedelt kurz nach den Ereignissen von «Return of the Jedi» (1983), erzählt die Serie davon, wie der Kopfgeldjäger Boba Fett (Temuera Morrison) die Geschäfte im ehemaligen Palast von Jabba the Hutt übernimmt – doch statt mit eiserner Hand, wie einst der korpulente Gangsterboss, will Fett mit Respekt und auf Augenhöhe regieren. Dass das in einem Verbrechernest wie Mos Espa nur mässig gut geht, ist klar – und so sieht sich Fett schon bald mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert.
Eines der grössten Probleme von «The Book of Boba Fett» ist die Titelfigur. Der Kopfgeldjäger wurde in «Return of the Jedi» in den Schlund des Wüstenungeheuers Sarlacc gestossen, aus dem er zu Beginn der Serie mit Müh‘ und Not herausklettert. Und die Zeit im Sarlacc scheint Fett entscheidend verändert zu haben: Statt des stillen und kompromisslosen Söldners, wie wir ihn aus den Filmen kennen, begegnen wir hier einem freundlichen alten Mann, der stets um Fairness und Gerechtigkeit bemüht ist und auch gerne mal mit Banthas knuddelt oder auf der Flucht das Leben von ihm unbekannten Rodianern retten möchte, selbst wenn es ihm nichts bringt. Natürlich darf eine Figur auch weiterentwickelt und neu interpretiert werden – erst recht 40 Jahre nach ihrem ersten Auftritt. Doch der Boba Fett, dem wir in «The Book of Boba Fett» begegnen, ist so weit entfernt von der Version, die wir kennen, und das, ohne dass uns Favreau wirklich erklärt, warum, sodass es wirkt, als hätte er die Figur schlicht nicht verstanden.
«Dem Nimbus des gefürchteten Kopfgeldjägers wird Temuera Morrison mit seiner Netter-Onkel-von-nebenan-Darbietung alles andere als gerecht.»
Da hilft es auch nicht, dass Temuera Morrison – der 20 Jahre nach seinem ersten Auftritt als Boba Fetts Klonvater Jango in «Attack of the Clones» (2002) erneut in die Mandalorianer-Rüstung schlüpft – schauspielerisch überhaupt nicht überzeugen kann. Der stämmige Neuseeländer betet sichtlich überfordert uninspirierte Textzeilen herunter und wirkt gefangen in dieser Rüstung, die ihm – wie die Serie – stets eine Nummer zu gross scheint. Dem Nimbus des gefürchteten Kopfgeldjägers wird Morrison mit seiner Netter-Onkel-von-nebenan-Darbietung alles andere als gerecht.
Für Disney dürfte es sich ohnehin um eine Lose-Lose-Situation gehandelt haben: Setzt man auf einen altbewährten aber leider nicht wirklich überzeugenden Darsteller, der zudem für die Rolle fast 20 Jahre zu alt ist, aber den die Fans heiss lieben? Oder ersetzt man ihn durch einen neuen, besseren Schauspieler und fängt sich dafür den Zorn der kontinuitätsliebenden Fans ein?
Die ganze Schuld an der Misere, die «The Book of Boba Fett» ist, in die Schuhe von Morrison zu schieben, wäre aber ungerecht. Dass die Serie nie wirklich in Fahrt kommt, ist den uninspirierten Entscheidungen der Verantwortlichen zu verdanken, die von einer Idee zur nächsten hüpfen, ohne dabei irgendeinen Gedanken zu Ende zu führen. Und so liefert «The Book of Boba Fett» ein Potpourri an interessanten, aber unfertigen Einfällen: Die Hutt-Zwillinge, die scheinbar als grosse Bösewichte eingeführt werden, räumen, kaum sind sie da, bereits wieder das Feld, und auch Boba Fetts Rancor-Begeisterung wird höchst schludrig erzählt. Die Serie wirkt planlos und unkoordiniert –und erinnert damit an die Sequel-Trilogie, die daran krankte, dass mehrere kreative Köpfe unterschiedliche Visionen umsetzen wollten.
Hier scheinen sich Jon Favreau und sein Mitstreiter Dave Filoni («The Clone Wars») zwar mehr oder weniger einig zu sein, wohin es gehen soll, doch das Ganze wirkt nur mässig durchdacht und lässt erzählerisch zu wünschen übrig. Dabei hätte die Serie an der Seite von Boba Fett durchaus spannende Figuren zu bieten: Ming-Na Wen («Agents of S.H.I.E.L.D.») als Scharfschützin Fennec Shand zeigt in jeder Szene, dass sie eine spannendere Protagonistin für die Serie wäre, und auch Wookiee-Kopfgeldjäger Black Krrsantan oder dem «Clone Wars»-Rückkehrer Cad Bane schaut man lieber zu als Boba Fett.
«Der grosse Übeltäter der Serie heisst aber weder Temuera Morrison noch Jon Favreau, sondern Din Djarin: Der Mandalorianer bricht dem drögen Boba Fett mit seinem Auftritt endgültig das Genick.»
Der grosse Übeltäter der Serie heisst aber weder Temuera Morrison noch Jon Favreau, sondern Din Djarin: Der Mandalorianer bricht dem drögen Boba Fett mit seinem Auftritt in der fünften Folge der Serie, «The Return of the Mandalorian», endgültig das Genick. Es wirkt fast wie ein verzweifelter Versuch von Favreau und Co., noch einmal das Ruder herumzureissen. Und wie ginge das besser, als mit einem altbekannten Favoriten? Fast zwei Folgen lang verschwindet Boba Fett komplett von der Bildfläche, während Pedro Pascals Mandalorianer übernimmt. Das klingt so absurd, wie es ist – und ist auch ebenso ungelenk inszeniert. Doch: Der Auftritt von Din Djarin ist halt eben auch bei Weitem das Interessanteste, was «The Book of Boba Fett» zu bieten hat.
Warum sich Favreau den Direktvergleich mit seiner anderen «Star Wars»-Schöpfung antut, weiss wahrscheinlich nur er. Denn gegen Pedro Pascals Kopfgeldjäger sieht der «grosse» Boba Fett blass aus. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Serie mit Din Djarins Figur auch einfach mehr Spass hat – ihm dabei zuzuschauen, wie er mit einem Lichtschwert gegen Gangster kämpft oder sich ein neues Schiff zusammenbastelt, macht Laune und zeigt, was bei «The Book of Boba Fett» drin gewesen wäre, wenn sich die Serie nicht auf halb ausgegorene Dorfpolizisten-Abenteuer in Mos Espas Hinterhöfen beschränken würde.
Mit «The Book of Boba Fett» zeigt Disney, dass man auch im Jahr zehn seit der Übernahme von Lucasfilm noch nicht weiss, was man mit diesem Universum anstellen soll. Die Serie ist ein uninspiriertes Chaos mit einer unglücklich besetzten Hauptfigur, und damit ein weiterer Eintrag in die immer länger werdende Liste enttäuschender «Star Wars»-Werke. This is not the way.
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Serienfakten: «The Book of Boba Fett» / Creator: Jon Favreau / Mit: Temuera Morrison, Ming-Na Wen, Pedro Pascal, Matt Berry, David Pasquesi, Jennifer Beals, Carey Jones / USA / 7 Episoden à 38–51 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Disney+. © 2021 Lucasfilm Ltd. & ™. All Rights Reserved.
«The Book of Boba Fett», die uninspirierte Serie um Kopfgeldjäger Boba Fett, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie planlos und unkoordiniert Disney mit der «Star Wars»-Franchise umgeht.
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